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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 134
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Gabriel Andres

Aus der Luft gegriffen ist also dieser Mythos keineswegs. Und da möcht
ich mich auf die von D. de Rougemont erwähnten „vergleichbaren Situationen
" berufen.

Da steigt ein tatenlustiger Bischof, Konrad III. von Lichtenberg, auf den
Straßburger Bischofsstuhl. Die Kathedrale, jetzt seine Cathedra, steht
schon als mächtiges Gotteshaus im Herzen der Stadt, unvollendet gewiß,
aber doch schon eindrucksvolles Zeugnis des christlichen Glaubens und
der Spendefreudigkeit seiner Diözesaner. Innere Zwistigkeiten haben zwar
die Macht des Bischofs zu Gunsten der Bürger geschwächt. Der Bischof ist
nicht mehr alleiniger Bauherr, er muß der Meinung des Domkapitels Rechnung
tragen.

Das kümmert den Bischof, zudem ein streitlustiger Herr, wenig, er betrachtet
den Bau als seine persönliche Angelegenheit. Das Langhaus, beinahe
vollendet, ist wiederholt von Bränden heimgesucht worden. So darf
das nicht weiter gehen, es muß was geschehen, der Bau muß vollendet
werden.

Der Bischof schaut sich um, er späht nach einem geeigneten Baumeister
, sein Münster braucht einen Magister, einen Meister, keinen Gesellen.
Er hat von diesem Erwin gehört, Gutes, sehr Gutes. Kurz entschlossen beruft
er ihn nach Straßburg. Er ahnt nicht, er weiß noch nicht, daß er damit
den Vogel abgeschossen hat, er weiß nicht, ob dieser junge Mann seine Erwartungen
erfüllen wird, aber so sei es denn!

Und da ist andererseits dieser Erwin da, jung an Jahren, aber schon
reich an Erfahrungen und erfüllt von einem unbändigen Schaffensfieber. Er
folgt dem Ruf des Bischofs. Auch er weiß nicht, was ihn dort erwartet, er
kennt den Kirchenfürsten nicht, er ahnt nicht, daß er in ihm einen unvergleichlichen
Gönner und Helfer finden wird. Erwin packt seine sieben Sachen
zusammen und eilt nach Straßburg.

So treffen zwei einmalige Temperamente zusammen, beide von einem
Ideal besessen, wovon jedes auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet ist: den
Bau der Kathedrale. Der Bischof will das begonnene Werk fortsetzen, vielleicht
bis zur Vollendung, zu seinem und des Herrgotts Ruhm. Der Baumeister
will nur das Werkzeug sein, der bescheidene Steinmetz und Maurer
, der seiner inneren Vision des Gotteshauses steinerne Gestalt verleihen
will, aber auch er ad majorem Dei gloriam, zur höchsten Ehre Gottes, ein
Mystiker der Architektur.

Ein entscheidendes Zusammentreffen der Tatkraft des einen, der dem
Bau diesen himmelwärts gerichteten Schwung verleihen wird und des anderen
, der ihm unbedingte Rückendeckung gibt, dank der ganzen Überzeugungskraft
seiner Würde.

Daß aus dieser Konjunktur ein Mythos entstand, soll uns nicht wundern.
Aber darüber hinaus dürfte Erwin für sich den Anspruch erheben, was zu
tun seine Bescheidenheit ihm verbot, dieses Münster, wie es sich heute vor


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