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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 240
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Gerd Hirschberg

. . . Wir haben enge Beziehungen gehabt zu den jüdischen Familien.
Denn meine Mutter hat z. B. für die Juden gewaschen, und ich hab Häcksel
geschnitten für welche. . . . Wir haben unser Haus 1938 von den Juden gekauft
. Die hatten früher schon gesagt: ,Wenn wir's verkaufen, bekommt ihr
das Kauf recht!' 2000 Mark hab ich damals bezahlen müssen, vor dem Notar
, und alles mußte ganz schnell gehen.

. . . In der Zwischenzeit bin ich aber immer noch zu Hammels gekommen
und . . . zu der Rubin. Die hat z. B. ein kleines Lädel gehabt. Da hat
man die halt ein bißchen unterstützt. Aber man hat das nur bei Nacht tun
können. Denn vis-a-vis war das Zollamt, und da wohnte oben ein SS-Mann
aus Kehl drin, das war der Schlimmste!. . . Ein anderer hat mich gewarnt:
.Bleib draußen!' . . . Zu der Frau Rubin bin ich nur abends rein. Die hat
gewußt, daß ich nach acht komme. Die hat Seife und auch sonst Sachen gehabt
, das war ja eine Seifensiederei früher. Aber als der Mann Ende des
1. Weltkriegs gestorben ist, war nur noch sie da und hat das Lädle grad
noch so gehalten.6

. . . Bei den Braunschweigs haben sie mit dem Beil die Tür eingeschlagen
. Als sie es zuerst gerade machen wollten, kam die Lehrerin vorbei
, das Fräulein Fischer und hat gesagt: ,Also, das macht man doch
nicht!', und dann sind sie davon. Aber hinterher haben sie es doch gemacht
.1

Ein Sohn der hier genannten Familie, Ernst Braunschweig, * 1923, hat
die Verfolgungen des III. Reichs überlebt. Er wohnt heute bei Paris und berichtete
über die damaligen Vorgänge folgendes:

. . . Ich war dabei, auch in Kehl, bei dem Pogrom 1938. Wir wohnten in
der Hauptstraße, meine Großmutter war im selben Haus. Die Tür und die
Fenster wurden eingeschlagen. Ich weiß, wer's war, aber ich sag nichts.
Die richtigen Nazis hier waren v.a. Österreicher. Österreichische SS und
Gestapo aus Kehl waren bei uns in der Wohnung. Als sie in der Wohnung
waren und mich verhaftet haben, sehen sie vom einzigen Bruder meiner
Mutter, Siegfried Hammel, der im 1. Weltkrieg gefallen ist, ein
Verdienstkreuz da hängen, so ein Lorbeerdings, mit Schrift: ,Der Dank des
Vaterlands' oder so. Da sagt doch einer: ,Ach, gab es auch Juden als
Soldaten ?'

Mein Bruder kam dann nicht mit, weil der zu jung aussah. Aber mein
Vater und ich und die ganzen Männer der Gemeinde, die übrig waren, sind
mit einem Bus nach Rheinbischofsheim gebracht worden. Schon im Autobus
haben sie dann auf uns eingeschlagen, und wir wußten garnicht wie,
wann, wo!

In Rheinbischofsheim mußten wir raus. Der Religionslehrer Hirschber-
ger war schon da, angezogen als Kantor, mit Talar, die aufgewickelte
Thora im Arm. Dann mußten wir auf dem Lindenplatz marschieren und
Gebete singen zur Belustigung. Dann ging es weiter nach Kehl. In der


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