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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 248
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Gerd Hirschberg

Das Gericht kommt so zu dem Schluß, daß es den Angaben der Zeugin
keinen Glauben schenken darf.

Im folgenden geht das vorliegende Protokoll auf die im oben zitierten
Brief von Paul Weil erhobenen Beschuldigungen gegen X. ein. . . . Am
10. 11. 1938 wurden im ganzen Reichsgebiet die männlichen Juden festgenommen
. Die Anweisung für Rheinbischofsheim ging von der Gestapo in
Kehl aus, die zusammen mit Angehörigen des Grenzschutzes Kehl die Festnahme
und den Abtransport der Juden vornahm. Die Juden wurden
zunächst auf den Lindenplatz vor dem Rathaus gebracht und gezwungen,
auf dem Lindenplatz, unter Führung eines mit einem Talar bekleideten Rabbiners
unter dem Gespött umstehender Leute und Kinder im Kreis herumzugehen
. . .

Es folgt die Wiedergabe der Beschuldigung durch Paul Weil. Dann: . . .
Der Angeklagte X. bestritt, an der Festnahme des Paul Weil oder eines anderen
Juden beteiligt gewesen zu sein; er sei am 10. 11. 1938 den ganzen
Tag auf dem Feld gewesen und habe dort gearbeitet. Nach seiner Angabe
besteht die Möglichkeit der Verwechslung mit einer anderen Person.

Durch die Hauptverhandlung konnte nicht festgestellt werden, daß der
Angeklagte X. an der Festnahme der Juden am 10. 11. 1938 teilgenommen
hat; es wäre dies wohl in Rheinbischofsheim nicht unbekannt geblieben.
Der Zeuge Weil, derzeit in New York, hat sein Erscheinen in der Hauptverhandlung
in Aussicht gestellt, er ist aber nicht erschienen. Nach den Angaben
des Zeugen Wachtmeister G. lebte Paul Weil mit seinen Schwiegereltern
, die in Rheinbischofsheim geachtet waren, in Gegensätzen; während
seine Schwiegereltern arbeitsam waren, ging er der Arbeit aus dem Weg
und hatte keinen guten Leumund; seine Angaben verdienen nicht schlechthin
Glauben. Das Gericht konnte auch im vorliegenden Fall seinen Angaben
keinen Glauben schenken, zumal der Angeklagte X. auch als Ortsgruppenleiter
nach Aussage des Zeugen G. niemals in gehässiger Weise gegen
andere Personen, auch nicht gegen Juden hervorgetreten ist. . . .

Es sei lediglich so gewesen, . . . daß er die Juden Kahnheimer und
Bloch vor ihrem endgültigen Abtransport im Jahre 1941 aufgefordert habe,
in das Rathaus zu kommen. . . . Es erscheint durchaus glaubhaft, daß er lediglich
im Interesse der Juden zu handeln glaubte, um sie vor Beschimpfungen
zu bewahren und zu verhindern, daß sie gewaltsam aus ihren Wohnungen
geholt wurden. Daß der Angeklagte die Härte dieses Vorgehens gegen
die Juden mildern wollte, geht schon aus der Tatsache hervor, daß er
die Juden, die vor dem Rathaus standen und warteten, aufforderte, in das
Rathaus hereinzukommen.

Aus heutiger Sicht ist dieses Bruchstück eines Gerichtsprotokolls beschämend
. Daß die Verteidigung nach Entlastungszeugen sucht, ist ihre
selbstverständliche Aufgabe. Unverständlich ist aber, daß weder die Staatsanwaltschaft
noch das Gericht selbst nach weiteren Zeugen gesucht hat -


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