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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 262
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Marlin Ruch

Im September 1938, wenige Wochen vor dem Novemberpogrom, kam ein
junger Mann über die hohen jüdischen Feiertage (Rosch Haschana, Jörn
Kippur, Versöhnungsfest) in die Offenburger Gemeinde: Bernhard Gries,
geb. 22.4.1917 in Landeshut (Schlesien). Sein Vater war Weingroßhändler in
Hirschberg (Riesengebirge) und hatte zwei Söhne: Bernhard und Heinz.

Bernhard besuchte nach Oberrealschule und Abitur die Fraenkelsche
Stiftung in Breslau, ein bekanntes Rabbinatsseminar, und machte dort eine
Ausbildung zum Religionslehrer.

Die Offenburger Gemeinde lud ihn ein als Vorbeter für die Hohen Feiertage
1938. Doch man bat ihn bald, daß er über die ursprünglich vereinbarte
Zeit hinaus noch bis Sukkoth (Laubhüttenfest) bliebe, also bis Ende September
/ Anfang Oktober. Denn nach dem Weggang von Dr. Siegfried
(Sinai) Ucko (1935) und Herbert Finkelscherer (1935-37) gab es keinen
festangestellten Rabbiner mehr in Offenburg. Nur hin und wieder amtierte
Dr. Scheuermann, der Freiburger Bezirksrabbiner, aushilfsweise in der Gemeinde
.

Bernhard Gries wohnte bei der Familie Weil in der Grabenallee 16. Hier
war auch der Sitz des Bezirksrabbinats, und im selben Haus wohnte auch
Jakob Adler, ein alter Herr, den die Nazis in Dachau im selben Jahr noch
brutal ermordeten.

Die Gemeinde schenkte Bernhard Gries nach seiner kurzen Offenburger
Zeit zum Abschied ein kleines, selbstgestaltetes Album mit der Widmung:
„Herrn B. Gries. Zur steten Erinnerung an Ihren Aufenthalt in Offenburg
Rosch haschono 5699. Der Synagogenrat: Emil Neu, Vorsteher". Darin
waren eine Aufnahme der Stadt eingeklebt, vom Hohen Horn aus gesehen
und unterschrieben „Offenburg und Umgebung", und ein weiteres Bild der
Synagoge in der Langestraße, eine bislang unbekannte Innenansicht.

Auch eine Postkarte aus Offenburg ist erhalten, geschrieben und abgestempelt
am 11.10.1938 und adressiert an den Vater Oskar Gries:

„Bernhard Gries, bei Weil, Offenburg / Baden, Grabenallee 16.
Meine Lieben!

Den Wäschezettel und Mutters Karte habe ich erhalten. Vielen Dank!
es kam sehr richtig, da ich noch die restlichen Feiertage hier bleiben will.
Ich gehe dann 8-10 Tage früher nach Breslau und komme direkt nach
Beuthen. Im Seminar ist leider Dr. Urban (?) mein großer Gönner fort.
Sind wir dadurch ohne Bibel- und Geschichtsdozent? Das fehlt dem jämmerlichen
Betrieb grad noch. Der Ersatz ist kümmerlich.

Die letzten Feiertage waren schön. Alles war in bester Ordnung. Fr. Ziffer
, der ich noch nicht fest zugesagt habe, hat mir leider abgeschrieben. -
Morgen fahre ich wieder in den Schwarzwald, wenn das Wetter einigermaßen
ist. Ist Heinzel (Bruder Heinz) wieder ganz auf dem Posten?

Grüße Bernhard"1


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