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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 339
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Amtliche Sittenaufsich! im IX. Jahrhundert im Kirchspiel Lichtenau (1740-1821)

339

Die Kirchenbuße war von da ab gewissermaßen der letzte Teil der Cen-
sur, und dieser wurde z. B. im Jahre 1776 im Protokoll so formuliert:

„Als(o) ist dieser actus heute vorgenommen (worden), ihnen ihr Verhalten
ernstlich vorgehalten und sie zu wahrer Buße und künftiger Lebensbesserung
nachdrücklich vermahnet worden, welches zu tun sie mit Hand und
Mund versprochen." Von dem Vater des unehelichen Kindes war schon
lang keine Rede mehr. Es waren die schwangeren Frauen, die von sich aus
den Vater angaben. Wahrscheinlich wollten sie dadurch den Verdacht der
„echten" Hurerei, daß sie nämlich mit mehreren Männern Umgang gehabt
hätten, ausräumen.

Während Pfarrer Neßler junior (Dienstzeit: 1786-1806) bei sittlichen
Vergehen noch von der Exkommunikation Gebrauch machte, war bei seinem
Nachfolger Pf. Schoch davon keine Rede mehr. Er verzichtete damit
auf ein wirksames Mittel der Seelenführung, denn der Einfluß des Abendmahls
auf die Gewissen war zu damaliger Zeit sehr stark. So berichtet Pf.
Neßler senior, daß Melchior Bonaventura Timaeus aus Furcht vor dem
Zorn Gottes, wenn er als Lügner zum Abendmahl ginge, eine uneheliche
Schwangerschaft gestanden hat, die er bis dahin immer abgeleugnet hatte
(1770).

Nach einem Bericht von Pf. Neßler aus dem Jahre 17608 hatte die Kirchenbuße
ein Jahrzehnt zuvor unter seinem Vorgänger J.J. Müller noch
ganz anders ausgesehen:

„Gewohnheit war, daß das Paar, die Dirne mit einem Strohkranz, nach
zweistündiger Eintürmung im Streckturm durch den Bott in die Kirche geführt
und vor den Altar gesetzt wurde. Nach beendigter Predigt hielt ihnen
der Pfarrer vor versammelter Kirchengemeinde ihren Fehltritt unter allerhand
Schimpf- und Scheltworten vor, worauf sie nach getaner Beichte Absolution
empfingen."

Ein Versuch Pf. Müllers, das Verfahren zu mildem, hatte ihm einen
scharfen Verweis von Buchsweiler eingetragen.

Wenn man die eben beschriebene Szene mit dem Verfahren unter Pfarrer
Schoch vergleicht, der sogar auf den zeitweiligen Entzug des Abendmahls
verzichtete, so wird die starke Veränderung der kirchlichen Disziplinierung
im Verlauf von 60 Jahren offenbar, die diese unter dem Einfluß der
Geistesbewegungen dieses Zeitabschnitts (Aufklärung, Humanität) erfahren
hat. Der erfreulichste Aspekt dieser Entwicklung ist aber die Tatsache,
daß die Sittlichkeit, wie die noch darzustellenden Zahlen beweisen, unter
dieser Entwicklung keinerlei Schaden genommen hatte, und das Vertrauen,
das man in die Mündigkeit der Menschen gesetzt hatte, nicht enttäuscht
wurde.

Wenn bei einer unehelichen Schwangerschaft einer der Partner (z. B.
der Knecht aus Balzhofen) kein Hanauer war, so erfolgte immer ein Bericht
an den Amtmann. Diesen Meldungen wurden in besonderen Fällen


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