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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 342
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Ludwig Uibel

Es wurden vor dem Presbyterium auch mehrere Anklagen wegen Hurerei
verhandelt, bei denen jegliche Angaben von Einzelheiten fehlten. Der
Versuch einer zahlenmäßigen Erfassung der „Hurerei" hätte wegen der hohen
Dunkelziffer keinen Sinn.

Der Kampf gegen das concubitum anticipatum oder den
vorweggenommenen Beischlaf

Dieser Sonderfall einer sexuellen Beziehung zwischen jungen Leuten lag
dann vor, wenn eine verlobte, aber noch nicht getraute Frau schwanger
wurde. Das Censurgericht behandelte die einschlägigen Fälle mit erkennbarer
Nachsicht. Wenn deshalb ein noch nicht Verlobter Vater eines unehelich
gezeugten Kindes dem Gremium seine Absicht kundtat, die schwangere
Frau zu heiraten, so wurden beide wie Verlobte behandelt, d. h. die
Strafpredigt war nicht so scharf, es drohte keine Exkommunikation und die
Genehmigung der Hochzeit wurde in Aussicht gestellt. Schließlich waren
die Ortsvorgesetzten froh, daß das zu erwartende Kind ehelich zur Welt
kommen konnte und nicht dem Almosen zur Last fallen würde. Aus der
Vielzahl der Censurverhandlungen wollen wir drei Fälle auswählen, bei
denen wir miterleben können, wie die Sittenrichter mit den vorehelichen
Schwangerschaften umgegangen sind:

„Mattheus Zimmer, ein Fischer aus Graueisbaum und dessen Ehefrau
... haben concubitum anticipiert und ist die Weibsperson ungeachtet 5mo-
natiger Schwangerschaft mit dem Jungfernkranz zur Kirche gegangen, auf
welches beide vom S.coenam (Hl. Abendmahl) excludiert worden." Die
Exkommunikation hatte das Ehepaar sicher der Provokation zu verdanken,
die im nicht gerechtfertigten Tragen des Jungfernkranzes zum Ausdruck
kam. Symbole wie der Jungfernkranz hatten in der damaligen geistigen
Welt nicht nur bei den einfachen Leuten einen hohen Stellenwert. Sie durften
nicht ungeachtet mißbraucht werden (1757).

Ein Geschehen, das sich im August 1761 abspielte, zeigt, daß sich das
Presbyterium mangels genügender Kenntnis des medizinischen Sachverhalts
engstirnig verhalten hat. Da gebar eine Frau (Christina Schulmeister)
sieben Monate nach der Trauung ein Kind, das infolge seiner schwachen
Konstitution bald nach der Geburt starb. Dieses arme Wesen war wahrscheinlich
ein Siebenmonatskind, wie es nicht allzuselten geboren wird.
Statt diese Möglichkeit zu bedenken und mit den Eltern rücksichtsvoll umzugehen
, lud man sie vor das Censurgericht. Dort wurde ihnen „auf ihr Gewissen
die nötige Vermahnung und Bestrafung gegeben . . .". Warum hatte
man die Hebamme nicht um Rat gefragt? Die amtlich geforderte Ächtung
des concubitum anticipatum hatte, wie wir sahen, zur Folge, daß die Pfarrer
bei der Taufe der nach der Trauung geborenen Kinder gegebenenfalls
den Kalender zu Rate zogen, um zu prüfen, ob das Neugeborene auch


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