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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 354
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Ludwig Uibel

tigen Bezeigen hat es nicht gefehlt. Der Tag des Herrn wurde zum Tag der
Sünden gemacht..." (Trille = drehbarer Käfig).

Ein zweiter Vorgang von ähnlicher Qualität ereignete sich 1767: „Diesen
(Sonntag-)Nachmittag unter und nach dem Gottesdienst nahm der
Amtsschultheiß eine höchst ärgerliche Exekution unter einem großen Tumult
der Menschen vor mit 2 Personen von Muckenschopf, welche er vor
der Kirchentür (hat) in die Geige stellen und hernach prügeln lassen".
Pfarrer Neßler erweist sich hier als einer der frühen Vorkämpfer für einen
humanen Strafvollzug, der nicht zum Gaudium entarten darf, das die Psyche
der Bestraften unheilbar verletzt.

Nach über 40 Jahren Pause (1805) nahm das Censurgericht den Kampf
gegen die Sabbatentheiligung wieder auf. Dieser Neuanfang scheint nicht
aus der persönlichen Initiative des Pfarrers (Neßler junior) hervorgegangen
zu sein, denn sie erfolgte an dessen Lebensende (gest. 1806). Wahrscheinlich
hat die Kirchenbehörde des neuen Staates (ab 1803), der Karlsruher
Kirchenrat, den Anstoß dazu gegeben. So wurden in den Jahren von 1805
bis 1821 26 Verstöße abgeurteilt, ein Drittel davon wegen Feldarbeit an
Bettagen (pflügen, Rüben hacken, Rüben abschneiden, Rinde schälen, Heu
machen, Garben binden usw.). An den Halbfeiertagen einschließlich Bettagen
, schien die Hausarbeit erlaubt zu sein, nicht aber die Arbeit auf Acker
und Wiese. Hausarbeit, die mit größerem Lärm verbunden war, wie Holz
spalten oder Vieh schlachten, war auch untersagt. An Sonn- und Feiertagen
galt das erst recht, dazu kam noch das Verbot zu reisen, d. h. mit dem
Fuhrwerk über Land oder ins Feld zu fahren, z. B. Klee oder Hanf zu holen
. So arbeitete ein Grauelsbaumer Mann am Gründonnerstag im katholischen
Ulm (1809), wo das gestattet war. Er mußte 15 Kreuzer Buße zahlen
, ein anderer putzte am Sonntagmorgen seinen Stall. Ein Wirt ließ am
Ostermontag mit großem Gepolter seinen Tanzboden ausbessern (1813).
Ein häufiges Vergehen gegen die Sonntagsheiligung war das Weiden des
Viehs. Bei vielen Urteilen des Censurgerichts fällt auf, daß die Censoren es
als einen erschwerenden Umstand ansahen, wenn die verbotene Tätigkeit
während eines Gottesdienstes erfolgte. Das traf für die Hälfte der Sonntagsentheiligungen
zu. Ohne Zweifel wollte man damit auf das Versäumen
des Gottesdienstes hinweisen, scheute sich aber, das Vermeiden des Kirchenbesuchs
als alleinigen Tatbestand erscheinen zu lassen.

So wird Andreas Ludwig angezeigt, „daß er sich nicht nur gegen seine
alte Mutter, sondern auch in Ansehung seines Christentums sehr tadelhaft
betragen und äußerst saumselig zur Kirche und Gottes Wort gekommen sei
. . ." (1809). Die Rüge über einen geringen Gottesdienstbesuch wurde immer
mit der Anklage wegen eines anderen sittlichen Fehlverhaltens verkoppelt
. Vielleicht stand hier unbewußt die Meinung Luthers dahinter, daß
der Glaube und damit eng verbunden der Kirchenbesuch nicht mit Strafandrohungen
erzwungen werden sollte.


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