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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 462
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Renate Tebbel

10. November, nachmittags drei Uhr, im Unionsaal eine Vertrauenskundgebung
„für die großen Güter des Volkes" stattfinden, heißt es in dem Aufruf.
„Kein wahrhaft deutscher Mann, keine wahrhaft deutsche Frau aus der
Stadt und aus den Landorten fehle", werden die Bürger ermahnt. Schon am
folgenden Tag, dem 11. November, ist im fernen Berlin das Ende des Krieges
beschlossene Sache. Welch' verheerende Auswirkungen das Waffenstillstandsgesuch
haben sollte, werden die folgenden Jahre zeigen.

Und die Menge zieht durch nächtliche Straßen:

Von der Revolution 1918/19 bis zur Inflation im Jahre 1923 - eine Zeit für
Abenteurer jeglicher Couleur

Revolution in Offenburg! In der Nacht vom 9. auf 10. November 1918
schrecken Einwohner der Oststadt durch den Lärm einer militärischen Revolte
aus dem Schlaf. Das Ersatzbataillon 172, bewaffnet mit Flinten und
Maschinengewehren, erzwingt in der Ihlenfeld-Kaserne die Freilassung inhaftierter
Kameraden. Auf dem Weg zum Staatsgefängnis auf dem Graben
schließen sich Soldaten des 170. Regiments den Aufständischen an; zusammen
befreien sie die militärischen Insassen. Die Menge zieht durch die
nächtlichen Straßen, es kommt zu Plünderungen in einem Zigarrenladen,
aus zwei Läden werden Messer entwendet; die Menge dringt ins Paketlager
der Reichspost ein.

Was war geschehen? Wie in Offenburg, kommt es in dieser Novemberwoche
überall in Deutschland zu spontanen Revolten, Menschenaufläufen,
Massenkundgebungen. Angefangen hatte es mit dem Matrosenaufstand in
Kiel. Wenn auch der Umsturz von 1918/19 wahrhaft eine Volksbewegung
war, so ist sie doch eine seltsame Revolution, denn sie richtete sich nicht
gegen die Regierung, sondern handelte vermeintlich in ihrem Namen. Um
die Vorgänge in Offenburg verständlich zu machen, muß das Ende des Ersten
Weltkriegs betrachtet werden, das völlig überraschend sowohl über die
Regierung wie auch Bürgerinnen und Bürger hereinbrach.

Wie das Gesuch zustande kam, erklärt die Ereignisse der folgende Jahre
in Offenburg und in der großen Politik. Am 27. September 1918 durchbrachen
die Alliierten die Hindenburglinie. Der Erste Generalquartiermeister
Erich Ludendorff von der Obersten Heeresleitung hielt den Krieg für verloren
, eine „militärische Katastrophe" an der Westfront sei nicht mehr aufzuhalten
. Ludendorff war nur die Nummer zwei im Reiche, doch sein Vorgesetzter
, Generalfeldmarschall von Hindenburg, war im Grunde Ludendorffs
Erfüllungsgehilfe. Am 28. September stimmen Kaiser, Kanzler und
Außenminister dem Plan zu; die verfassungsmäßigen Gewalten des Kaiserreichs
kapitulieren kampflos, und wenige Tage später wird der Reichstag
informiert, daß die „Fortsetzung des Krieges als aussichtslos" aufgegeben
werde.


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