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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
80. Jahresband.2000
Seite: 498
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Martin Ruch

sehen und anderen Staaten so dicht wie möglich zu flechten, um so nach
und nach alte Vorurteile auszuräumen. Du Rivau erhielt für seine großartigen
Leistungen als erster Franzose 1954 das Große Verdienstkreuz der
Bundesrepublik, 1956 den erstmalig verliehenen Preis des Europarates und
1957 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.9

Rivau legte den Grundstein für eine friedliche Form der Auseinandersetzung
der beiden ehemaligen Feinde Deutschland und Frankreich. Er inspirierte
viele Menschen und überzeugte sie von der Realisierbarkeit seiner
Vision. Darunter waren auch: der Landrat des Kreises Offenburg Dr. Joachim
und der Delegierte der Militärverwaltung in Offenburg, Pierre
Robert.

„Wir lernten alle M. Robert als eine idealgesinnte Persönlichkeit kennen
. (...) Auch für die Älteren hatte er Interesse, besonders für jene, die in
der Hitlerjugend als Führer tätig gewesen waren. Sie kamen aus dem Krieg
heim und fanden hier vollkommen veränderte Verhältnisse vor. Robert trat
nun nicht in der Öffentlichkeit denen entgegen, die meinten, diese Menschen
hätten überhaupt keine Chance und es dürfte ihnen auch keine gegeben
werden. Er machte etwas Besseres. Da oben in Reichenbach war die
ehemalige Forstschule. Ein schönes geräumiges neues Gebäude, das leer
stand. Hierhin lud er die ehemaligen HJ-Führer für ein paar Wochen bei
guter Verpflegung ein, ließ sie unter sich einmal den Wandel der Zeit bereden
und dann wurden ihnen von Professoren, Angehörigen freier Berufe
und Politikern und Gewerkschaftlern Vorträge mannigfacher Art gehalten,
von denen nicht ein einziger einer Vorzensur unterlag, und über die frei
und zwanglos debattiert werden konnte."10

Die ersten Richtlinien für das „Demokratische Jugendheim Höllhof"
von 1947 sind im Archiv erhalten. Sie formulieren grundsätzliche Überlegungen
zur Persönlichkeit der verantwortlichen Lehrer, zur Lebensweise
und dem Unterricht auf dem Hof. Ein gewisses Pathos auf französischer
Seite ist nicht zu verkennen, wenn es etwa heißt: „Der Höllhof ist keine
Schule, sondern ein geistiges Sanatorium", oder „Die verantwortlichen
Leiter müssen von einem überzeugten Glauben beseelt sein. Sie sind wahrhafte
Propheten, dazu berufen, das demokratische Denken triumphieren zu
lassen."" Doch stand dahinter immer die Überzeugung, der Rachegedanke
müsse verbannt werde. Vor allem war es der Gedanke an die europäische
Einigung, der immer wieder angesprochen werden sollte: „Hinweisen auf
die zukünftige Eingliederung der Staaten in immer ausgedehnter werdende
wirtschaftliche Systeme".

Das Heim stand allen ehemaligen Nazis, vorzugsweise den jungen, offen
, „die in Kenntnis ihrer vergangenen Irrtümer Ratschläge, Unterricht
und Anweisung suchen. Niemand wird gezwungen dort hinzugehen, noch
dort zu bleiben." Diese Freiwilligkeit der persönlichen Entscheidung ist
tatsächlich das Besondere am Höllhof-Experiment gewesen. Und es nimmt


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