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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 499
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Die israelirische Gemeinde in Lichtenau im 19. Jahrhundert

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Schenkung an die Armen zu erwerben suchen soll und mich mit ihnen auf
guten Fuß stellen soll, da amtlicher Schutz und Hilfe zu jener Zeit nicht
vollständig oder nicht gehörig gewährt werden könnte. Als ich nach Hause
kam, war unter den Bürgern die Ansicht im Gange, daß die Juden den Bürgernutzen
abgeben sollten. Bürgermeister Stengel riet uns selber, auf den
Bürgernutzen zu verzichten, weil es uns sonst ergehe, wie es den Juden in
Grötzingen und Bühl ergangen ist.

Da uns Mißhandlungen in Aussicht gestellt worden sind, wie solche unsere
Glaubensgenossen in anderen Gemeinden ertragen müssen und da
uns ferner in Abwesenheit des Bürgermeisters der Gemeinderat auf das
Rathaus kommen ließ, ...so blieb uns nichts anderes übrig, als dem drohenden
Verlangen der Bürger nachzugeben und die Urkunde (mit dem Vertrag
vom 7.4. 1848) auszustellen.

In diesem Vertrag verzichteten wir nicht nur auf den Bürgernutzen, sondern
auch auf das Stimmrecht bei Gemeindewahlen, welches das Gesetz
nicht gestattet und die Regierung nicht annehmen kann.

Es wurde ferner ein Vertrag von unserer Seite unterzeichnet, in welchem
der Wahrheit gemäß beurkundet wurde, daß wir gezwungener Weise auf
den Bürgernutzen verzichteten und wir uns unser Stimmrecht als Bürger
vorbehalten würden. Allein als der Bürgermeister mit diesem Vertrag auf
dem Rathaus erschien, wurde er beinah die Treppe hinuntergeworfen. Der
Vertrag mußte vernichtet werden. Danach wurde uns tatsächlich unser
Bürgerrecht entzogen und wir wurden in der Gemeinde gleichsam für vogelfrei
erklärt."

Da entsprechende Urkunden aus dem Gemeindearchiv fehlen, haben wir
als andere Quelle über das Geschehen in Lichtenau während der Revolution
nur das Buch von Ludwig Lauppe (dem noch ein vollständigeres Gemeindearchiv
zur Verfügung stand). Lauppe weiß nichts von Unruhen im
Frühjahr 1848. Dagegen gibt er an, dass während des Struve-Putsches im
Herbst 1848 einigen Juden in Lichtenau die Fensterscheiben eingeworfen
wurden.10

Wie die beiden Synagogenräte Simon Roos berichteten, wurden die israelitischen
Bürger durch massiven Druck veranlasst, am 7.4. 1848 einen
Vertrag zu unterschreiben, in dem sie auf den Bürgernutzen verzichteten.
Darin verpflichtete sich die Gemeinde, den verzichtenden israelitischen
Bürgern alle Auslagen zu ersetzen, die ihnen als Nutzer entstanden waren.
Es gehörte deshalb zum Vertrag eine Liste, die 16 israelitische Bürger"
enthielt, mit der jeweiligen Geldsumme, die dem betreffenden rückerstattet
werden sollte. In der Summe handelte es sich dabei um einen Betrag von
981 Gulden 30 Kreuzer. Da die Gemeinde Lichtenau im Augenblick nicht
über Bargeld verfügte, nahm sie sich vor, die genannte Summe als Darlehen
aufzunehmen. Von den aufgeführten zwei Vertragsentwürfen wurde


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