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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 65
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Eine Kindheit und Jugend im Hanauerland

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Haus an dem Ofen, von dem ich schon erzählt habe. Als wir auf den Rhein
zugingen, kam Geschützfeuer von Straßburg her. Dr. Eimer sagte: „Für
meine Frau und die beiden Herren könnte ich es verantworten, noch länger
hier zu bleiben, aber nicht für Sie, Fräulein Ida!" So kehrten wir um und
gingen durch das stehen gebliebene Dorf Kehl zurück. Es schoß stärker,
doch Kehl ist an diesem Tag wohl nicht unter Feuer genommen worden.

Was jene Stunden des Beschüsses für mich bedeuteten, ist kaum zu sagen
. Ich war hinausgehoben über mich selbst. Ganz frei fühlte ich mich,
sogar frei von Mitleid, das mir sonst folgte wie ein Schatten.

So habe ich empfunden, daß nicht nur für Märtyrer und für Krieger,
sondern auch für Abenteurer gelten kann:

Und setzet ihr nicht das Leben ein,

Nie wird euch das Leben gewonnen sein.

Wunderschön war der Abend des 9. September. Die Stimmung war gehoben
durch das, was vorangegangen war.

An diesem Abend ist die erste und letzte Flasche Champagner in unserem
Hause getrunken worden. Der Großherzog hatte jedem badischen Offizier
eine Flasche zu seinem Geburtstag geschenkt. Dr. Eimer stellte die seine
auf den gemeinsamen Tisch. Sie kann die Stimmung nur durch ihre Seltenheit
in diesem Hause erhöht haben, denn ihr Inhalt verteilte sich auf zu
viele, um Wirkung gehabt zu haben.

Abschiebung nach Deutschland

Bald nach dem 9. September stellten sich in unserem Hause sieben einfach
und sauber gekleidete „Mädchen" ein. Sie waren zwischen 30 und 45 Jahren
, nur eine war jünger. Die Mädchen kamen vom Kloster Bon Pasteur in
Schiltigheim, wo sittlich gefährdete Mädchen aufgenommen und manchmal
auf Lebenszeit behalten wurden. Es war merkwürdig, was sie erzählten.
Erst als die Beschießung Straßburgs anfing, erfuhren sie von der Oberin,
daß Krieg sei. Als Granaten in den Klostergarten fielen, wurde der Oberin
befohlen, das Haus zu räumen. Wo die andern Mädchen hinkamen, wußten
sie nicht. Die sieben deutschen wurden von der Oberin mit einem kleinen
Geldbetrag fortgeschickt und vom Militär über die Grenze geschafft. Die
Oberin hatte ihnen den Rat gegeben, wo sie auch hinkämen, nach dem
Pfarrer zu fragen. Sie kamen zuerst nach Auenheim, wohin man sie übergeschifft
hatte. Pfarrer Förster schickte sie zu uns, damit der Vater als Dekan
im Benehmen mit dem Oberamtmann für die Heimreise der Mädchen sorge
. Sie kamen, freundlich, bescheiden und voll Vertrauen. Die Mutter
speiste sie, der Vater ging zum Oberamtmann, der aber vorerst nichts tun
konnte. Dann wurde ich ausgeschickt, um in katholischen Beamtenfamilien


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