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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 162
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Karl Maier

Zeilen, und selbst die Gruppe Hitlerjungen verweigert ihre Anteilnahme
nicht.24

Zweifellos waren die „Zwanziger" von außen gesehen glückliche Jahre
für Leo Wolff in Appenweier. Bei ihm wohnten seine Tochter, 1905 geboren
, und sein Sohn Curt, Jahrgang 1907. Irma heiratete nach Frankfurt und
kehrte nach dem frühen Tod ihres Mannes mit den beiden Kindern Bertram
und Steffen zu den Eltern nach Appenweier zurück. 1921/22 kaufte Wolff
ein großes Grundstück zwischen der Ebbostraße und dem Dorfbach, das
entlang der damaligen Eisenbahnstraße verlief. Darauf ließ er sich ein
schönes Haus in einem Park erbauen, in das er seine Wohnung und die Praxis
aus dem Rathaus verlegte. Damit endete auch seine Amtszeit als Armenarzt
, die alte Wohnung wurde weitervermietet und das Wartegeld verschwindet
aus den Rechnungsbüchern. Vielleicht erübrigte der steigende
Schutz der staatlichen Versicherungen die Fürsorge der Gemeinde.

Die gute Zeit dauerte bis zum l. April 1933. Unter diesem Datum wurden
die jüdischen Kassenärzte aus ihren Ämtern entfernt und durften künftighin
nur noch Privatpatienten behandeln, die ihre Rechnungen selber bezahlten
.25 Die persönliche Entlassungsverfügung erhielt Dr. Wolff zusammen
mit einigen Offenburger Kollegen am 13. April.26 Damit begann die
berufliche und gesellschaftliche Isolierung, und die ganze wohlwollende
Normalität, die oben dargestellt wurde, konnte Leo Wolff nicht vor den nationalsozialistischen
Zwangsmaßnahmen schützen.

Die Berichte zweier Zeitzeugen mögen die Situation verdeutlichen, wie
Dr. Wolff sie selbst gesehen hat. „Der Arzt fuhr eines Tages mit einer bekannten
Frau von Offenburg im selben Zugabteil nach Appenweier, wobei
man sich freundschaftlich unterhielt. Am Bahnhof Appenweier verabschiedete
sich Dr. Wolff abrupt, obwohl man noch ein Stück Weg hätte zusammen
gehen können, mit den Worten: ,Ihr Mann ist Beamter, man darf uns
nicht beieinander sehen. Das könnte ihm schaden.'" - „Mein Vater zahlte
das Arzthonorar für Dr. Wolff aus eigener Tasche und als Mutter mit Bruder
Erwin wegen einer langanhaltenden Wurmerkrankung immer wieder
zu Dr. Wolff ging, meinte dieser, hoffentlich habe mein Vater hierwegen keine
Schwierigkeiten. Man fühlte sich bei solchen Arztbesuchen doch schon
beobachtet. "21

1938 führte das nationalsozialistische Regime einen weiteren schweren
Schlag gegen die jüdische Ärzteschaft. Mit Bezug auf die Nürnberger Gesetze
erklärte die 4. Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz
die „Bestallungen" (Approbationen) jüdischer Ärzte für erloschen. Das bedeutete
ein Berufsverbot für diesen Personenkreis ohne Rücksicht auf die
wirtschaftlichen Folgen. Da man arischen Ärzte nicht zumuten konnte, Juden
zu heilen, nahm die Verfügung einige wenige unter den Betroffenen
aus, und erlaubte ihnen, „neben seiner Frau und seinen ehelichen Kindern
auch andere Juden zu behandeln ", und diskriminierte sie zugleich mit dem


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