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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 108
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Zur Schicksalswende zweier jüdischer Viehhändler-Familien aus Offenburg 1 QQ

ende regelmäßig per Bahn zu den Eltern fahren. Nach der Schließung
der Schule im Gefolge der Reichspogromnacht konnte der
Unterrichtsbetrieb erst ab Ostern 1939 im Jüdischen Gemeindehaus
Freiburg wieder aufgenommen werden. Aber auch diese
Phase fand im Herbst 1940 ein abruptes Ende.

Das Ende der Familien?

Am 22. Oktober 1940 wurden in einer zentralen Aktion alle jüdischen
Bewohner Badens, der Rheinpfalz und des Saargebietes von
der Polizei und SA-Hilfskräften festgenommen. Von höchster
Stelle geplant und organisiert, fuhr dieser Vorgang wie ein Blitz
auf die ahnungslosen Betroffenen nieder. Wie die anderen etwa
90 jüdischen Einwohner Ottenburgs wurden auch die beiden Familien
Hammel sowie die Großmütter Babette und Bertha Hammel
am frühen Morgen in den Wohnungen aufgeschreckt; man
befahl ihnen, diese binnen einer Stunde zu verlassen. Es wurde
gestattet, 50 kg Gepäck zusammenzuraffen und 100 RM auf eine
längere Reise mit unbekanntem Ziel mitzunehmen. Vorläufiger
Sammelpunkt war die Turnhalle der Schillerschule in Offenburg,
in welcher im Laufe des Tages auch alle jüdischen Bewohner der
umliegenden Gemeinden zusammengedrängt wurden. Am
Abend brachte man die verängstigten Menschen mit Lastwagen
zum Bahnhof. Dort stand bereits der Zug, in welchen sie einzusteigen
hatten. Wiederum stundenlanges Ausharren, weil auf den
Zug gewartet werden musste, mit dem die jüdischen Gemeinden
des Bodenseeraumes und des mittleren Schwarzwaldes zu ihnen
stoßen sollten. Die Abfahrt war um Mitternacht; man fuhr in
Richtung Freiburg mit unbekanntem Ziel ...

Drei Tage später, am Abend des 25. Oktober 1940, treffen unsere
beiden Familien in Gurs ein, einem kleinen Ort im französischen
Pyrenäenvorland unweit von Pau. Die Wirklichkeit dieses
gigantischen Lagers, welches sie an diesem Abend bei regnerischer
Witterung mit Tausenden anderen betreten müssen, bestätigt
ihre schlimmsten Befürchtungen schon vom ersten Augenblick
an.20 In den fast fünf Monaten Aufenthalt in Gurs, die jetzt
vor ihnen liegen, durchleiden sie alle nur denkbaren lebensfeindlichen
Erfahrungen: „... die tiefe Hoffnungslosigkeit, die vertraute
Heimat je wieder sehen zu können; sodann der Zwang, mit
nie vorher gekannten Lebensbedingungen konfrontiert zu sein.
Das hieß: Leben hinter Stacheldraht und damit die Unterdrückung
der persönlichen Freiheit; Leben in ständiger Enge inmitten
vieler Menschen und unter ständiger Beobachtung und damit
Verlust der Privatheit; Leben unter dem Entzug jeglicher Tätigkeit
und damit Verlust der kreativen Energie. Das hieß weiterhin,


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