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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 283
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284 Eugen Hillenbrand

Hält die hier groß angekündigte Lebensbeschreibung dem neu
entwickelten Niveau der Quellenkritik stand? Diese fordert von
einer rechten Hagiographie, die Anspruch auf Wahrheit erhebt
und nicht einfach fromm fantasiert, dass sie dem alten, seit der
Antike gültigen Grundsatz gerecht wird: Der Geschichtsschreiber
darf nur das niederschreiben, was er selbst gesehen oder von zuverlässigen
Zeugen erfahren hat. Der Bearbeiter des Lexikon-Artikels
stellte dazu fest:„Die Schreiberin der Vita versichert, dass sie
alles genau so ihrer Feder anvertraut hat, wie es ihr Heilke von
Staufenberg als Augenzeugin berichtet hatte. Diese war engstens
mit der seligen Gertrud vertraut, sie hat zusammen mit ihr die
Profess auf die Regel abgelegt. Sie war die unzertrennliche Gefährtin
ihres regelgemäßen Lebens iyita regularis) und hatte sich deren
Tugend zum Vorbild genommen/'

Gamans rechtfertigt hier seine Entscheidung, die Vita Gertruds
als ernstzunehmendes Zeugnis eines Heiligenlebens in die
Sammlung aufzunehmen, mit Aussagen, die er im Text selbst
fand. (Ich habe das Wort Scriptor mit „Schreiberin" übersetzt, weil
es an einer Stelle eindeutig heißt: Dis ist mir selber begegent mit ir,
ich, die diese legende zu dem ersten geschriben hab.)

Diese Authentizität genügte aber dem Jesuiten Gamans noch
nicht. Er betrieb Feldforschung und reiste persönlich nach Offenburg
. Das bot sich ihm geradezu an, da er von 1640 bis 1649 als
Prinzenerzieher bei dem katholischen Markgrafen Wilhelm von
Baden-Baden tätig war.8 Es war ausgerechnet in jenen Jahren, in
denen das Oberrheingebiet besonders schwer unter den verheerenden
Kämpfen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte. Gerade
1639 suchte ein protestantisches Heer erneut Offenburg
durch einen nächtlichen Überfall einzunehmen. Aber da sei, so
berichtet eine Legende, die heilige Ursula auf der Stadtmauer erschienen
und habe die Stadt gerettet.9 Einige Jahre vorher hatten
die Stadtväter dieselbe Heilige schon einmal durch Bittprozessionen
um Hilfe angerufen. Damals noch ohne Erfolg, nun aber
umso wirkungsvoller. Jedenfalls haben die Offenburger Bürger
spätestens in den Wirren der Dreißigjährigen Krieges ihre
Beschützerin gewechselt; sie hatten Gertrud kurzerhand durch
Ursula ersetzt, und so ist es bis heute geblieben.

Das hielt freilich den gelehrten Gamans nicht davon ab, weiterhin
den Spuren der heiligen Gertrud nachzugehen. Er war
eben, wie erst jüngst in einer Untersuchung über „Hagiographie
und Historie im 17. Jahrhundert" festgestellt wurde, „die zentrale
Vermittlungsfigur für die Materialbeschaffung in den süddeutschen
Territorien".10 Nach Offenburg aber war er nicht gereist,
um neues Material zu finden - die Heiligenvita kannte er ja bereits
-, sondern um das, was er schon gefunden hatte, persönlich


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