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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 285
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236 Eugen Hillenbrand

Was für ein Heiligenleben stellte die Vita dem Leser vor
Augen? Ich wähle vier Aspekte aus, die gewissermaßen werben
sollten für die heilige Gertrud:

1. Gertruds Leben in der Familie,

2. Gertruds Leben in der Frauengemeinschaft,

3. Gertruds Leben in der städtischen Gesellschaft,

4. Gertruds Leben in der Gemeinschaft mit Gott.

1. Leben in der Familie

Ein seit der Antike geläufiger Topos wurde auch in mittelalterlichen
Heiligenviten unentwegt verwendet: Nobilis Origine,
nobilior virtute - adlig durch Herkunft, adliger noch durch Tugend.
Für die Biographin entsprach Gertrud voll und ganz diesem
Idealbild, auch wenn sie nur aus dem niederen Adel stammte.
Ihr Vater Erkenbold wohnte als Reichsministeriale mit seiner
Familie auf der mächtigen Burg Ortenberg.12 Vermutlich erlebte
sie als Kind auch den Besuch des deutschen Königs Adolf von
Nassau, der sich im Dezember 1293 beim Krönungsumritt mehrere
Tage lang uf der bürge zu Ortenberg im Kinzichen dal aufhielt
und u.a. auch dem Kloster Gengenbach Privilegien ausstellte.13
Aber das interessierte die Vitenschreiberin überhaupt nicht.
Sie warf höchstens einen kritischen Blick auf die Familie der
Heiligen.

Erkenbold hatte nach dem Tode seiner ersten Frau eine Adlige
aus dem Donautal geheiratet. Sie nannte sich nach der dortigen
Burg Wildenstein und sü wz vil besser und edeler denn die erste,
wenn sü wz friges gestechtes.14 Auch aus dieser Ehe entstammten
mehrere Kinder; Gertrud war das jüngste. Ihr Geburtstag ist nicht
bekannt. Als der Vater wenige Wochen nach ihrer Geburt starb,
begann für Gertrud eine Leidenszeit. £5 wz von kinde uf ein kran-
ckes, sieches, jemerliches kindelin und krank an übe und an kraft untz
an iren dot. 15 Von seiner Familie konnte das Kind keine Hilfe erwarten
. Seine Mutter war schon bald aus der Burg verwiesen worden
, durfte aber ihre eigenen Kinder nicht mitnehmen. Diese
wurden zu Bauern der umliegenden Täler in Pflege gegeben, später
auf die Burg zurückgeholt, wo sie unter harten Bedingungen
leben mussten.

Gertrud fühlte sich nur an zwei Orten der Burg geborgen: In
der Spinnstube einer Rittersfrau und auf dem Burghof bei den
bettelnden Dorfkindern. Als das Kind so alt war, dass es arbeiten
konnte, wagte es nicht, einfach zu spielen (muessig gon), sondern
nam sin künckelin (Stab, an dem die Fasern für das Spinnen befestigt
wurden) oder wz man im zuo tuonde gap, und wz vil fro, so man


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