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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 286
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Gertrud von Ortenberg - eine vergessene Heilige 9R7

es im erloubete, und liefbalde zuo der frowen und bat sü im sagen von
unserm Herren und sunder von unsers Herren liden.16

Neben diesem Religionsunterricht am Spinnrad erhielt das
neunjährige Kind auch Leseunterricht. Rasch war es in der Lage,
das tägliche Stundengebet zu lesen und darüber hinaus jede Woche
sämtliche 150 Psalmen, wie es in den Klöstern üblich war. Es zog
sich völlig zurück und verließ seine Kammer nur noch zum Essen.
Nach der Mahlzeit aber beeilte es sich, dz es zuo den armen kinden
kerne, die uf die bürg nacH brot giengent (bettelten), und sas under sü
zuo in nider. ... Vil liebes Hette es mit den armen untz (bis) an sinen
dot17 Das Leiden Christi und das Mitleiden mit den Schwachen der
Gesellschaft wurden für Gertrud zu Leitmotiven ihres Lebens.

Für die Familie blieb sie ein fremdes Wesen. Ir Hertz und ir synn
und ir wille und irgemüte wz gentzlich und alzuomole geistlich.18 Aber
der Eintritt in ein Kloster blieb ihr wegen zu geringer Mittel verwehrt
. Ihr Schwager, ein byderber ritter uf einer andern bürg, die
heisset Schowenburg, entwickelte einen Heiratsplan: Wenn die
Frau des Ritters Rickeidegen auf der benachbarten Ullenburg (bei
Tiergarten) sterben sollte, könnte Gertrud ihr nachfolgen. Do
starb dem ritter sin frowe kürtzelich darnoch. Der ritter her Rickeidegge
bat dirre jungfrowen zuo einer elichen frowen. Ir frünt wurdent zuo rote
und gobent sü im zuohant. Aber er musste sie ohne Aussteuer nehmen
. Das störte den Witwer nicht, ja, er kleidete sü aller dinge,
schuohe an die fuesse und alles, dz sü bedurfte, klein und groz, dz
muoste er ir alles kouffen. Trotz allem war sie wider allen willen by
der weit und muoste do sin. Als sie mit ihrem vierten Kind schwanger
war, starb der Ritter. Gertrud fühlte sich wie befreit und zog
mit ihren Kindern zu ihrer Schwester auf die Schauenburg. Aber
schon nach kurzer Zeit fasste sie den Entschluss, ihr Leben ganz
neu zu ordnen und in die Stadt zu ziehen.

2. Leben in der Frauengemeinschaft

In Offenburg fand sie Unterkunft bei einer armen Schwesterf die
als Begine wohl in unmittelbarer Nähe des dortigen Franziskanerklosters
wohnte. By der bleib sü do und wz by ir und truog einen
swartzen mantel und würkende tücher und gieng also, untz sü ihres
kindes genas.19 Sie behielt es bei sich in der neuen Hausgemeinschaft
, bis es bald darauf starb.

Bekanntlich verband die Lebensweise der Beginen das klösterliche
und das weltliche Verhaltensmuster der Frauen, da sie keine
ewigen Gelübde ablegten und nicht in strenger Klausur gebunden
waren.20 Gleichwohl mühten sie sich um ein konsequentes
religiöses Leben. Sie lebten häufig in klo st er artigen Gemeinschaften
zusammen. Diese Gelegenheit bot sich auch den beiden


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