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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 287
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288 Eugen Hillenbrand

Frauen bald nach Gertruds Einzug: Eine junge Adlige, Heilke von
Staufenberg (bei Durbach), floh zu ihnen und bat um Aufnahme
in ihr Haus. Sie konnte bleiben und wurde zur engsten Vertrauten
Gertruds, XXX jor und XXVIII wuchert.21 Im ständigen Dialog
der beiden Frauen entwickelte sich eine hochgespannte Spiritualität
, die den geistigen Gehalt der Vita bis zum Ende charakterisiert
. Alle Ire rede und heimlicheit, die sü hette, die hette sü mitjung-
frow Heilken und etlichen sunderen lerern, den sü ouch ir leben sunder-
lich geoffenbart het22 Sie unterstellte demnach ihre Gemeinschaft
der geistlichen Leitung durch die Brüder des benachbarten Franziskanerklosters
, wo sie zusammen die tägliche Messe und Predigt
besuchten oder die Beichte ablegten. An zahlreichen Stellen der
Vita ist von dieser engen Bindung des Beginenhauses an die Bettelordensbrüder
die Rede. Es dauerte auch nicht lange, da trat
Gertrud in den Dritten Orden der Franziskaner ein, dessen Regel
1289 von Papst Nikolaus IV. bestätigt worden war. Diese Regel
gewährte der Frauengemeinschaft weitgehende Selbstbestimmung
und ein Leben ohne Klausur.

Es ist gleichwohl auffällig, dass die Vita mit keinem Wort den
Pfarrer erwähnt, der ja eigentlich für die Seelsorge der Frauen
zuständig war. Kein einziges Mal erfährt der Leser von einem Besuch
Gertruds und ihrer Mitschwestern in der nahegelegenen
Pfarrkirche.

Das Haus der Beginen selbst wurde zu einer Anlaufstelle für
„Arme Schwestern", die hier eine intakte Wohngemeinschaft von
Frauen vorfanden. Sie verwirklichten an diesem Ort in eigener
Verantwortung ein geregeltes Zusammenleben. Dabei wurden
gesellschaftliche Unterschiede als etwas ganz Selbstverständliches
hingenommen. Mehrfach ist von Gertruds Mägden die Rede.
Aber ihnen bot sie als Zeichen großer Demut sozusagen das „Du"
an: Sü wz also demütig, dz ir ir megde etlich muosten sprechen „Gertrud
", also sü hies. Es war ihr peinlich, dz man ir in dem huse ere
bot23 Sie wollte wie die andern armen Schwestern behandelt werden
, und rügte deshalb ihre engste Freundin Heilke, als diese von
Gertruds Mutter und deren adliger Herkunft sprach: dz werete sü
mit sollichem ernste, dz sü sin niemer me getürste (wagte) gedenken
untz an iren dot24 In der praktizierten Hausordnung scheint Gertrud
gleichwohl eine Leitungsfunktion übernommen zu haben.

3. Leben in der städtischen Gesellschaft

Für die Stadt entwickelte sich das Haus der armen Schwestern zu
einem sozialen und geistlichen Mittelpunkt. Vor allem Gertrud
selbst erwarb sich in der Bürgerschaft ein hohes Ansehen. Sü hette
einen lütseligen senftmütigen wandel mit den lüten, der den lüten


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