Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 288
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Gertrud von Ortenberg - eine vergessene Heilige 9RQ

troestlich wz. Diese achteten sie wegen ihres Standes, aber noch
mehr wegen ihres vorbildhaften sittlichen Lebens. So die lüte Seiten
von irer edelkeit,so sprach sü: ach liehen, es ist nieman edel wan
der tugenthaftig ist. Der ist edel, den tagende edelent und nieman anders
.25* Die Standardformel für eine Heiligenvita.

Gertruds Autorität brachte sie fast zwangsläufig in die Rolle
einer Vermittlerin bei Konflikten unter den Bürgern. Auch die
Vitenschreiberin gesteht, dass sie in ihrer eigenen hoffnungslos
zerstrittenen Familie diese positive Erfahrung machen konnte.
Gertrud hatte es geschafft, die Verwandten, die sich noch nicht
einmal mehr grüßten, wieder zu versöhnen. Keinen unfriden
möchte sü geliden von nieman, der hy ir wz oder des sü gewalt hette.26

Gertrud drängte auch die Bürgerschaft insgesamt zu gemeinsamem
Handeln, wenn die Stadt wieder einmal unter kriegerischen
Auseinandersetzungen zu leiden hatte. Jüngste Forschungen
der Gender Studies charakterisieren Gertrud als eine charismatische
Frau mit großem Einfluss.27 Ja, sie habe sich einen Status
erworben, der gleichrangig neben dem des Klerus oder der Men-
dikanten der Stadt bestehen konnte: eine Frau über vierzig als
„religious leader". Nicht ein Amt begründete ihre Autorität, sondern
ihr außergewöhnliches Engagement in der städtischen Gesellschaft
.

Die Türe der Wohngemeinschaft stand allen sozial schwachen
Frauen offen, auch oder gerade Alleinerziehenden. Sie erhielten
Essen und Kleidung, manche fanden für einige Wochen Unterkunft
im Hause. Den Kranken und Alten der Stadt boten Gertrud
und ihre Mitschwestern vielfältige Hilfe. Während sie noch mitten
im Aufbau ihrer eigenen Kommunität waren, entwickelte sich
unweit von ihrem Hause das neue Hospitale pauperum in oppido
Offenhurg als Stiftung der Bürger. 1309 stellte es der Straßburger
Bischof ausdrücklich unter den Schutz der Kirche, ein Jahr danach
erließen Schultheiß, Rat und Gemeinde mit bischöflicher
Genehmigung genaue Satzungen, den armen siechen und dürftigen
lüten zehelfe28 Es war für Gertrud selbstverständlich, dass sie mit
ihrer Gemeinschaft Pflegedienste im Spital übernahm. Sü gieng
ouch in den spital und gesach (besuchte) die siechen, sorgte für ordentliche
Kleidung der Kranken und für sauberes Bettzeug, oder
sie pflegte eine gelähmte Frau, die inkontinent war, usw.

Mit teilweise drastischen Worten schildert die Biographin Gertruds
Tätigkeit im Dienste der Armen, Kranken und Aussätzigen.
Hundert Jahre nach der Heiligsprechung Elisabeths von Thüringen
, „der ersten Terziarin", sollte die neue Heilige den sieben Werken
der Barmherzigkeit ein neues Gesicht geben: Hungrige speisen
, Durstige tränken, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen,
Gefangene befreien, Kranke besuchen und Sterbende begleiten.


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