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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 292
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Gertrud von Ortenberg - eine vergessene Heilige

schwacher Schichten zunehmend auf die Probe gestellt. Im Bettlerkapitel
des Narrenschiffs erkennt Sebastian Brant: Es sint leyder
bättler vile und werdent stäts noch me, dann bättlen das tuot nyeman
we, on dem, der es zuo nott muoß triben. Und: Vit neren uß dem bät-
tel sich, die me geltts hon dann du und ich.35 Wie so etwas möglich
ist, hat er zuvor schon gesagt: Bättler beschyssen alle landt Der
Autor Brant unterscheidet also zwischen Bettlern, die wirklich in
Not sind, und betrügerischen Bettlern.

Zu Gertruds Lebzeiten war die Armenfürsorge noch getragen
vom Gedanken christlicher Mildtätigkeit, misericordia. Das Evangelium
verpflichtete den Christen zur Barmherzigkeit: „Was ihr
dem geringsten meiner Brüder getan, das habt ihr mir getan/'
Aber schon um 1400 begannen die Almosenstiftungen damit, die
Bettler zu klassifizieren. Dem „würdigen Bettler" stand auf einmal
der zwielichtige gegenüber, der vor den kilchen zittert und weint36
Dieser „Profi" brachte den wirklich notleidenden Bettler in Verruf
.

Der Basler Stadtschreiber Johannes Zwinger hatte um 1430
einen Text abgeschrieben, der die verschiedenen Tricks betrügerischer
Bettler aufdecken sollte, wie Blindheit, Krankheit, Schwangerschaft
, Verkleidung in Pilger- oder Mönchsgewand usw. Seine
Darstellung diente dem Pforzheimer Spitalmeister Matthias Hüt-
lin als Hauptquelle für den Liber Vagatorum (Buch der Landstreicher
). Zahlreiche Drucke sorgten seit 1510 für eine große Verbreitung
dieses Fachbuchs zum Gaunerwesen der damaligen Zeit.
Dem Wittenberger Druck von 1528 Von der falschen Bettler buberey
(Gaunerei) stellte Martin Luther selbst ein Vorwort voran, worin
er von seinen eigenen schlechten Erfahrungen mit solchen land-
streichern und zungendreschern berichtete.37

Die Denunzierung der zuvor weitgehend geduldeten Bettler
verrät nicht nur, wie sich die sozialen Probleme in der Bevölkerung
verschärft haben, sondern auch, wie sich ein Wandel in der
Einstellung zu den Armen vollzogen hat. Der Schutzlose, Bedürftige
war in den Verdacht des betrügerischen Schmarotzers und
Drückebergers geraten.

Sebastian Brant schloss davon auch die Bettelorden nicht aus,
er unterstellte ihnen sogar eine besonders ausgeklügelte Form der
Raffgier: Pfaffen, mynchs orden sint vast rieh und klagent sich als
wärent sie arm. Hü bättel, das es gott erbarm. Du bist zu notturft uf
erdocht und hast groß huffen zamen brocht. Noch schrygt der Prior trag
her plus, dem sack dem ist der boden uß.38

Brants Polemik gegen die habgierigen Bettelmönche gehörte
schon fast zum Inventar spätmittelalterlicher Kirchenkritik.
Selbst vom Klerus wurden heftige Vorwürfe gegen die neuen
Orden erhoben, vor allem weil diese sich rücksichtslos in die


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