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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 16
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1 ^ Hans Harter

gen, 19 Jahre alt. 4. Kunigunde Listin aus Schramberg, 14 bis 15
Jahre alt. 5. Klara Listin, von daher, Schwester der vorigen, 19
Jahre alt. 6. Marianna Scheerer, aus dem Schramberg, 21 Jahre
alt." Sie alle wurden „nach Hause gewiesen", nur zwei gleichfalls
aufgegriffene Paare wurden in Schiltach „eingethürmt und
incriminiert"12.

Sie alle waren ohne festen Wohnsitz, streiften durchs Land
und versuchten sich irgendwie durchzuschlagen: mit Betteln,
Hausieren, Gelegenheitsarbeiten, aber auch Diebstählen. Ende
des 18. Jahrhunderts rechnet man im Südwesten mit 6000 bis
8000 derartiger „Vaganten", etwa drei bis fünf Prozent der Bevölkerung
, die in dieser hohen Zahl eine eigene, entwurzelte
Unterschicht darstellten. In der „Bettel-Ordnung" der Herrschaft
Fürstenberg wurde 1770 vor folgendem „Gesindel" und
seinen oft gaunerischen Erwerbsformen gewarnt: Scherenschleifer
, Sägenfeiler, Kesselflicker, Drahtstricker, Bürstenbinder
, Käfig- und Mausefallenmacher, Bendelkrämer, Betteljuden,
Ölkrämer, Quacksalber, Vogelhändler, Bärentreiber, Spielleute,
Rattenfänger, Würfelspieler, Gaukler, abgedankte Soldaten und
Deserteure, „Zigeunervolk und derley herrenlos, dem Land sehr
schädlichem und der allgemeinen Sicherheit sehr gefährlichem
Gesindel"13. Sie standen bzw. vagierten gegen Obrigkeiten, die
sie ausgrenzten und verfolgten, ohne groß nach den Gründen
für diese „Armutsgesellschaft"14 zu fragen.

Hintergrund war die Bevölkerungszunahme des 18. Jahrhunderts
mit knapper werdenden Nahrungsspielräumen gerade für
die Unterschichten. Dazu kamen die Folgen von Kriegen, bitterarmen
Nachkriegszeiten und Missernten, die die sozialen Problemgruppen
anwachsen ließen. Auf der Offenburger Konferenz
der Ortenauer Territorien 1762 sprach der badische Vogt Wenger
von „Zigeunern und Raubgesindel", zeigte aber auch ein
gewisses Verständnis: Sie, die keiner wolle, die aber existierten,
könnten sich „nicht unter den Boden verkriechen" und müss-
ten, da ihnen keiner helfe, „dem Bettel und Diebereyen weiter
für nachziehen"15. So spricht man vom 18. Jahrhundert auch
als von dem „der Bettler und Gauner", mit dieser ihm eigenen
soziale Frage. Eine Quelle war das Militär: Nicht nur, dass man
Männer zwangsweise rekrutierte, die oft desertierten, damit
straffällig wurden und aus dem Zivilleben herausfielen. Nach
Kriegen überschwemmten entlassene Soldaten das Land, die
nur das Militärhandwerk verstanden und in Gewalttätigkeit
abglitten. Gefallene Soldaten ließen unversorgte Frauen und
Kinder zurück, denen „nichts blieb als der Bettel"16. Nicht zufällig
befanden sich unter den Vor Reichenbächle Aufgegriffenen
Angehörige eines Soldaten.


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