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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 81
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Die Ortenau - ein „Paradies für Jauner und Diebe

dieweil sie Unsere Liebe Frau nicht haben beherbergen wollen; sie
waren aus Epiro, der gemein Man nandts Egipten, die hatten gelds
genug, zahlten alles, theaten niemadts kein leyd, zogen durch alle
land. Ihr obristen nannte sich hertzog Michael, hat auf 50 pferd
bey ihme.68

Auf der Flucht vor den Türken (das als „Kleinägypten" bezeichnet
wurde) gelangten sie im 15. Jahrhundert in Gruppen von 30
bis 300 Personen nach Mitteleuropa und gaben sich häufig als
Pilger aus, um einen vorteilhaften Status einnehmen zu können
.69 Wegen ihrer Andersartigkeit und ihrer vagierenden Lebensweise
sahen sie sich bald Anfeindungen und Verfolgungen
ausgesetzt. Zunächst verdächtigte man sie als Spione der Türken
oder Franzosen, dann als „Zauberer, Hexen, Gauner, Verbrecher
und Pestbringer".70 Im Zuge der frühneuzeitlichen
„Sozialdisziplinierung" betrieb man ihre Ausrottung oder
Zwangsassimilation.

In den Erlassen werden sie synonym und auf gleicher Ebene
mit kriminellen Gruppen aller Art genannt. So richtet sich die
Chur- und Ober-Rheinische gemeinsame Poenal-Sanction und Verordnung
von 1748 gegen das schädliche Diebs- Raub- und Ziegeu-
ner sodann herrlose Jauner- Wildschützen- auch müßig- und liederliche
Bettelgesindel71. Zigeuner wurden generell als Schwerkriminelle
gesehen. Die Gengenbacher Konferenzen von 1773/7'4
erklärten sie für „vogelfrei" und empfahlen ein standrechtliches
Vorgehen, nämlich bei Streifen festgenommene „Zigeuner" an
dem nächsten Galgen oder Baum aufzuhängen.72 Erschwerend
kam noch hinzu, dass das Auftreten in Gruppen als besonders
schweres Delikt galt. Die Gruppe war aber gerade für die Zigeuner
als Überlebensgemeinschaft notwendig. Dass von Schwerkriminalität
keine Rede sein kann, zeigt die Tatsache, dass nur
zwei der zahllosen Räuberbanden zwischen 1700 und 1830 aus
Zigeunern bestanden: die Bande des Antoine la Grave, der als
„der große Galantho" zwischen 1718 und 1725 die Landschaft
um den Vogelsberg unsicher machte, und die Bande des „Han-
nikel" (Jakob Reinhard), der in Sulz a.N. 1787 vor 12000 Zuschauern
gehenkt wurde.73 Selbst bei der Ortenauer Konferenz
1762 musste zugegeben werden, dass Zigeuner nur aus Not
stahlen. Sie betrachteten Feldfrüchte als gemeine Gabe Gottes und
nahmen Hüner, Gans und dann und wann einen Hammel oder eine
Geiß, das, was sie zu ihrer Nahrung bedürfen74.

Die Gleichsetzung von „Zigeunern" und Kriminellen hatte
die Frage aufgeworfen, inwieweit die „Zigeuner" nicht nur als
„polizeilicher Ordnungsbegriff" (Leo Lucassen), sondern auch
als Ethnie zu bezeichnen sind. Karl Härter hat als ethnische


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