Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 306
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306 KarlK°pp

vor dem Stadtrat verklagt. Er verweist zu seiner Verteidigung
auf die Krämer, die in sein Metier eindringen, beruft sich auf
seine Kenntnisse und hergebrachte Praxis, auf seine Ehre und
auf Gott. Diese kleine Szene, nur ein Splitter aus dem großen
Mosaik der Stadtratsprotokolle, spiegelt ein wahres Stück der
allgemeinen sozialen Not jener Zeit und das auf fast jeder Seite
präsente Ringen um die eigenen Existenz, um persönliche und
Standesehre. Schon im März 1701 hatte Munier vor dem Stadtrat
auf die Frage, ob er sich einem am rechten Schenkel schadhaften
Ochsen zu helfen getraue, mit Ja geantwortet.

Die Muniers spielen auch deshalb eine besondere Rolle, weil
des Paßmentierers eheliche Haußfrau Maria Magdalena Bronnin
ebenfalls ins Gesundheitswesen einsteigt. Am 14. Juni 1703
wird sie zur Hebamme bestellt mit der Auflage, sich auffs baldigste
nacher Straßburg zu begeben, und sich daselbst zur Mehrung
gründlicherer Begriffe und Übung dieser wichtigen Profession informieren
zu lassen. Am 8. Mai 1704 liegt dem Rat der verlangte
Schein vor, daß sie das Examen ausgestanden und den Leiblichen
Eyd abgelegt habe. Damit verdrängt sie Margareta Imberin, die
alte Hebamme, aus Amt und Einkommen. Diese hatte vom Rat
nicht allein das Viertel Korn verlangt, das ihr leider von einem Jahr
noch ausstehe, sondern auch die völlige Besoldung. Aber statt dass
man ihr die Besoldung nachzahlt, wird die alte Hebamme per
Ratsbeschluss ganz ausgeschaltet. 1715 heiratet dann die Tochter
der Muniers, sie ist ebenfalls Hebamme. Die drei genannten
Hebammen gehören zu den zehn Frauen, welche unter den
etwa 3600 in den Ehebüchern des 18. Jahrhunderts notierten
Frauen mit einem Beruf erwähnt sind.

Zurück zur Verhandlung gegen Hanns Jacob Munier: Genauso
typisch wie der denunzierte Regelverstoß, wie Anklage
und Verteidigung, ist auch der Spruch des städtischen Gerichts
, nämlich dass beklagter Munier sich alles Artzneyens und
Curirens, auch alles anderen, so in der Herrn Kläger Profession hin-
einlauffe, gäntzlich enthalten solle. Wenn aber jemand seiner begehre
, und es einen alten Schaden betreffe, seye ihm unverwehrt, sich
deßen Curirung, sofern nichts verdächtiges unterlauffe, zu unterziehen
. Bürgermeister Morstatt, als Barbier einer der Kläger und
umb seines wunderlichen Humors willen (2.1.1704) nicht unbedingt
beliebt, setzt das treulich protokollierte Schlusswort: Er
nehme zwar diesen Bescheyd an, aber wann künfftig jemand bey
Angst und Noth das Maul auffreißen sollte, so wolle Er daheim
bleiben, und ihr andern - seine Mitmeister meynend - machts auch
also!

Was sich heute fast wie eine lustige Szene liest, entspringt
dem Ernst und den Nöten des Lebens der Akteure vor 300 Jah-


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