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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 316
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21 £ Karl Kopp

gen", ohne etwas über die Herkunft des Geldes sagen zu können
. Aber sein Geldlädle habe es wohl gemerkt!, bemerkt der
Cammerer süffisant. Heitzelmann ist in seiner Ehre tief getroffen
und wagt einen Angriff: Er halte zwar das Ambt und die
Rathsstell (des Cammer er) in Ehren, halte Ihn aber für keinen
ehrlichen (ehrenhaften) Mann, sondern für einen Schölmen. Er
selbst seye arm, aber er seye bey seiner Armut ebenso gut und redlich
alß Er und andere.

Cammerer begeht wohl seinen größten Fehler, als er seine
andere geweste Magd als Zeugin präsentiert. Ihr Name wird nie
genannt, dafür wird sie übler charakterisiert als jeder andere in
den Stadtratsprotokollen: Cammerers eigener Sohn und Tochter
hätten gesagt, warumb sie die Besthie nicht wegtüen, man wisse
wohl, wie sie sich beim Sonnenwürth verhalten, Wein vertragen und
ein Leilach (Leintuch) und anderes entwendet habe. Der Rat lässt
die geweste Magd nicht als Zeugin zu. Sie seye nicht capabel, wider
jemanden Kundschafft zu geben, weilen dieselbe nicht nur von
einem bösen Baum entsprossen, in deme ihr Vater wegen falschen
Müntzens geköpfft und verbrennt worden, sondern auch als bekannte
Diebin. Und sie seye von Ihme, Herrn Cammerer, weggegangen
als eine Hur mit schwangerem Leib, als geweste Domestica23.

Mehrfach drängt der Rat zu einem Vergleich mit Heitzelmann
. Doch die Cammerers wollen partout den Urteilsspruch.
Der fällt am 25.1.1703 eindeutig aus: Weilen im geringsten nicht
vermuthet werden könne, daß des Heitzelmanns Tochter ihm Trau
Cammerin etwas veuntreut habe, so werde dieselbe nochmahlen vor
(für) unschuldig, ehr- und redlich gehalten und gesprochen; darbey
auch vor billich erkannt, daß sie, Trau Cammerin, derselben den
Außstand an ihrem Lidlohn zu bezahlen schuldig seye, Von Rechts
Wegen.

Die Cammerin bockt und zahlt nicht, weil des Heitzels-
manns Tochter von sich selbsten aus dem Dienst getreten seye,
auch das maiste an Geld und Leinwanth schon empfangen habe.
Am 1.2.1703 ist Erkannt worden (so lautet die Standardformulierung
für einen Beschluss): Daß Herr Cammerer und seine Trau
mit dem Kläger auff drey Viertel Jahr abzurechnen habe, bey Vermeidung
von 1 Pfund Pfennig Straff.

Die Mitglieder des Stadtrates haben in diesem Einzelfall
gegen einen der ihren entschieden, gegen den „Herrn" Cammerer
, Handelsmann, Kirchencensor und Rathsfreund. Das gesellschaftliche
Gefüge aber, mit seinem Ausschluss der Mehrheit
von der Mitwirkung am politischen und wirtschaftlichen Geschehen
, aber auch von selbstständiger, langfristiger und einigermaßen
gesicherter Lebensplanung, bleibt für viele weitere
Jahrzehnte unverändert bestehen.


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