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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 372
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Manfred Merker

Nun hatte das Gymnasiumsviertel noch zu wählen. Schon
vor Tagesanbruch kamen die Agenten in die abgelegensten Straßen
und Viertel und belagerten die Leute in ihren Häusern. In
der Gymnasiumsgasse ging es lebhaft zu. Gemeinderat Dern-
dinger27, der charakterlose Überläufer und damalige Hauptagent
und Religionsbeschützer, wollte schon um Vi 7 Uhr in die
Gymnasiumsgasse, um für seine Partei Propaganda zu machen,
er wurde aber sogleich durch einen Schreiner und Bäcker mit
geballter Faust hinausgetrieben; nicht besser erging es seinem
Kollegen Wiedemer28, von seiner eigenen Partei der „Luzerner
Leu" genannt, dem man in der Kesselgasse von allen Häusern
abwinkte. Schon vor acht Uhr schickte der Oberamtmann seinen
Diener zu mir in die Gymnasiumsgasse, er ließ fragen,
wann er mich diesen Morgen sprechen könnte. Um seinen Zudringlichkeiten
auszuweichen, ließ ich ihm sagen, ich wolle
nach Tisch zu ihm kommen. Unterdessen besprach ich mich
mit Ratschreiber Kornmaier29, der als solcher bei der Wahlkommission
mitarbeitete. Wir verabredeten uns, dass er mir nach
zwölf Uhr das Wahlergebnis mitteile, um danach mein Verhalten
bei der Wahl richten zu können. Allein um zwölf Uhr stand
die Sache für die Liberalen noch schlimm. Kornmeier erklärte
mir halbverzweifelt, indem er mir die Wahlliste verriet, wir Liberalen
könnten alle Stimmen brauchen. In der gespanntesten
Erwartung harrte ich bis fünf Uhr aus. Assessor Münzheimer
kam während dieser Zeit dreimal zu mir, ich ließ mich jedes
Mal verleugnen. Endlich um fünf Uhr hörte ich die Nachricht,
die Liberalen hätten alle Kandidaten durchgesetzt. Im Schmidt-
schen Saale (zur Neuen Pfalz30) harrten circa 300 Bürger auf das
Ergebnis des Tages, und als die frohe Kunde ihnen zukam, fielen
sich alle unter Tränen in die Arme; es soll eine Kette gewesen
sein, und die Begeisterung unbeschreiblich. Von Lahr war
als Kundschafter Bierbrauer Spaller da, der dann sogleich abreiste
und mehr als 200 in seinem Hause harrenden Bürgern
von Lahr die Nachricht brachte.

In Offenburg selbst war die Haltung der siegenden Partei
meisterhaft, es wurde den Bürgern, während sie im Taumel
ihrer Freude schwelgten, der Wunsch zu erkennen gegeben, sie
möchten denselben Abend noch früher als gewöhnlich nach
Hause gehen, was sie auch befolgten, so dass die Häupter der
Liberalen Partei, als sie um zehn Uhr abends in allen Wirtschaften
die Runde machten, um die Ordnung zu erhalten, bereits
niemanden mehr antrafen.

Für mein Benehmen bei der Wahl erhielt ich von vielen Bürgern
einen herzlichen Händedruck, ja es kam sogar am Sonntag
darauf einer zu mir in meine Wohnung, um mir im Namen


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