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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 455
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455

Prof. Dr. Ziegler, Freiburg, 14.4.1942: In Ergänzung meines Zeugnisses
vom 1.4.1942 betr. Frau Dr. Wiegand teile ich mit, daß die in dem
Zeugnis angeführten Erkrankungen des Herzens nach ärztlicher Auffassung
einen anstrengenden Transport nicht tragfähig erscheinen lassen.2

Auch Dr. Albert Schmidt aus Gengenbach wandte sich mutig am
10.4.1942 direkt an den badischen Ministerpräsidenten mit einem Gesuch
:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Ihre gütige Aufmerksamkeit möchte ich auf die Lage einer Kriegswitwe
lenken, und Sie um Ihre Hilfe bitten. Es handelt sich um Frau Dr. Hertha
Wiegand. Sie ist nichtarischer Abstammung und war mit dem arischen
Arzt Dr. Wiegand verheiratet, der an den Folgen seines Kriegsleidens starb.
Sie selbst war während des Weltkrieges freiwillig als Ärztin in Lazaretten
tätig. Sie wirkte bis 1937 in Offenburg als praktische Ärztin in selbstloser
und sozialer Weise, sodaß sie sich die Achtung aller, die sie kennen, erwarb
. In den letzten Jahren konnte sie ihrem Berufe nur noch unter Überwindung
großer Beschwerden nachkommen, da sie bereits damals an
Asthma und an einer Herzkrankheit litt.

Frau Dr. Wiegand soll in den nächsten Tagen einem Transport von Juden,
die evakuiert werden sollen, angeschlossen werden. Sie ist aber, wie von
verschiedenen Privatärzten festgestellt, zur Zeit nicht reisefähig. Ihr Zustand
hat sich im Laufe der letzten Jahre verschlimmert. Das stellte ich
auch bei einem Besuche, den ich vor kurzem bei ihr machte, auch selbst
fest. Herr Medizinalrat Dr. Buck, der gebeten wurde sich zur Frage der
Reisefähigkeit zu äußern, sagte, daß er ein amtsärztliches Zeugnis darüber
nur ausstellen dürfe, wenn er von einer Behörde dazu aufgefordert werde.
Ich darf Sie nun im Hinblick auf die besondere Lage, die hier besteht bitten
, Herrn Dr. Buck um Ausstellung eines Zeugnisses zu ersuchen. Da der
Transport jeden Tag abgehen kann, dürfte eine möglichst baldige Untersuchung
angezeigt sein.

Mit Rücksicht darauf, daß Frau Dr. Wiegand Kriegswitwe, und daß ihr
ärztliches und soziales Wirken in all den Jahren vorbildlich war, wurde sie
bisher von manchen Maßnahmen, die bezüglich der Juden getroffen wurden
, ausgenommen.

Ich möchte daher anregen, daß die weitere behördliche Behandlung dieses
Falles auf Grund derjenigen gesetzlichen Bestimmungen festgelegt wird,
die für die nichtarischen Ehepartner in gesetzlich anerkannten, sogenannten
privilegierten Mischehen herausgegeben worden sind.3

Ob es diese mutigen Eingaben der Kollegen waren, die doch nicht ohne
Wirkung blieben, oder ob, wie die Tochter Dorothea später einmal
meinte, die Mutter „einfach noch nicht dran" war - die beabsichtigte
Deportation der Ärztin fand nicht statt. Die Reichsvereinigung der
Juden bestätigte dies am 20.4.1942 in einem Schreiben an Hertha Wiegand
: „Wie Ihnen bereits mitgeteilt worden ist, hat mir die Behörde eröffnet,
daß Sie in der Abwanderungsliste gestrichen wurden. "4


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