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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1982-2_3/0028
ne Frage. Schon die von ihnen durchgeführten baulichen Veränderungen und die jeweils
auch vom Zeitgeist oder persönlichem Geschmack geprägten „Verbesserungen"
drinnen und draußen laden gleichsam zur stummen, aber dennoch höchst lebendigen
Zwiesprache ein. Wenn wir Heutigen gelegentlich die eine oder andere ihrer „Verbesserungen
" milde belächeln, dann dürfen wir nicht vergessen, daß es auch ihnen nicht vergönnt
war, in die Zukunft zu schauen. Was konnten sie schon ahnen von einer verkehrsreichen
Bundesstraße, deren dröhnende Lastwagen das ganze Gebäude erzittern
lassen?

Sicher hätten auch sie unter den gegebenen Umständen manches anders gebaut oder
wenigstens eine dem Verkehrslärm möglichst abgewandte Seite des Hauses zum Wohn-
und Schlafbereich erwählt.

Doch zurück zu unserem Thema! Sehr rasch lernten unsere Kinder die Vorzüge des
Wohnens in einem Altbau für ihre Entfaltung zu nutzen. Aufgewachsen in einem ebenerdigen
Bungalow, umgeben von weiten Rasenflächen, vielfältigen Büschen und Bäumen
in immerwährendem südamerikanischem Frühling, erstreckte sich ihre Erlebniswelt
fast ausschließlich auf das Spielen im Freien in Begleitung von Hunden und Katzen
. Jetzt plötzlich gab es keine Grünflächen mehr, nur noch gepflasterte Parkplätze um
das Haus. Selbst da, wo dem natürlichen Wachstum noch Raum hätte gegönnt werden
können, zierte ein nackter Betonklotz den „Vorgarten". Dennoch wären es keine Kinder
gewesen, wenn sie nicht augenblicklich in den zahlreichen Winkeln, Ecken und Nischen
des weitläufigen Hauses ungeahnte neue Möglichkeiten zur Befriedigung ihres Spieltriebes
entdeckt hätten. So wie wir als Kinder in Österreich in den Nischen und auf den
Fensterbänken unserer aus dicken Mauern bestehenden „Zufluchtsstätte" Raubritter
und Burgfräuleins gespielt hatten, so konnten jetzt unsere Kinder ihrer Phantasie freien
Lauf lassen. Die sehr schnell anrückenden neuen Spielkameraden ließen bald das verlorene
Paradies zugunsten der aufregenden Neuentdeckungen in den Hintergrund treten.

Unser Einzug in Kenzingen fiel in die kälteste Zeit des Jahres. Der Gegensatz zur bisherigen
, nach draußen ins Grüne orientierten Lebensweise hätte nicht größer sein können.
Ich erinnere mich noch genau an den Tag unserer Ankunft in Kenzingen, kaum 24 Stunden
nach einem Zwischenaufenthalt an der venezolanischen Karibikküste mit ihrer sengenden
Sonne, plötzlich alles grau in grau, die Bäume ohne Blätter, die Felder kahl! Ob
es wohl immer schon so war? Konnte man denn so überhaupt leben? Natürlich könnte
man es nicht, wenn es dasjenige nicht gäbe, was wir zehn Jahre überhaupt nicht mehr
gebraucht hatten: Heizung, vom Menschen künstlich erzeugte Wärme. Selbstverständlich
fanden wir in unserem neuen Domizil eine solche Wärmequelle vor, und zwar eine
ganz moderne Zentralheizung. Wir genossen ihre Annehmlichkeiten in vollen Zügen,
zumal sich unser, an die natürliche Wärme gewöhnter Kreislauf nur langsam auf die
herrschende Kälte umstellte.

Doch die Freude an solcher Errungenschaft unseres technischen Zeitalters blieb nicht
ungetrübt. Spätestens am Fälligkeitstage der Heizkostenrechnung bekamen wir
schmerzhaft zu spüren, daß das Wohnen in einem Altbau auch seinen entsprechenden
Preis fordert. Mangelnde Isolierung im Fenster- und Dachbereich, sowie vor allem die
hohen Räume und weitläufigen Flure, hatten neben dem unerwarteten Anstieg der
Heizölpreise in jenem ersten Winter ein tiefes Loch in die Haushaltskasse gerissen. Was
wir zunächst als befreiendes Wohnerlebnis gerühmt hatten - die lichte Raumhöhe von
3,10 m -, entpuppte sich plötzlich als Alptraum zukünftigen Altbauwohnens. Hinzu
kam die mangelnde Luftfeuchtigkeit in den zentralbeheizten Räumen, die sich bei sämtlichen
Familienmitgliedern mit dumpfem Kopfdruck bemerkbar machte.

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