Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
3. Jahrgang.1983
Seite: 43
(PDF, 21 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1983-3/0045
Der Turmchor der ersten Stadtkirche

Als der Südturm der Stadtpfarrkirche zu bauen begonnen wurde, das Fundament gelegt, das
erste Geschoß überwölbt war, wußte der Baumeister offensichtlich nicht, welches Niveau - der nicht
von ihm, sondern von einem Magister in Konstanz - geplante Chorbau haben würde, daß er den Boden
des Turmgeschosses nicht mit dem Bedürfnis nach einem ebenen Zugang zum später angelegten
Chorboden in Verbindung brachte. Zwischen beiden ist immerhin ein Höhenunterschied von ca.
1,50 m und kein Platz für eine Treppe.

Das war aber kein Versehen dieses Baumeisters. Er hatte mit diesem ersten wohlproportionier
ten und in seinem plastischen und malerischen Schmuck feierlich angelegten Turmgeschoß den
Grundstein für den ganzen Kirchenbau gelegt, die Urzelle - in vollem Bewußtsein, daß dieser Raum
mit seiner liturgischen Bestimmung im Gesamtplan nutzbar bleibt.

Dann muß aber bald darauf, eine Erkenntnis, wahrscheinlich aufgrund der Bodenbeschaffenheit
, durchgedrungen sein, daß der schöne Plan eines wesentlich über dem Fußboden des Kirchenschiffes
erhöhten Chorraumes, nicht durchführbar war. Der Nordturm wurde gebaut und sein erstes
Geschoß auf gleiche Ebene mit dem Chor gestellt, damit es als Sakristei benutzt werden konnte.
Der Nordturm ist etwas später gebaut worden, denn er zeigt wohl dieselben derbleibigen flach abgefaßten
Rippen, auf dieselben Auflager abgestützt, denselben Schlußstein wie das Untergeschoß des
Südturms, doch ohne Architekturplastik und ursprüngliche Bemalung, auch mit jüngerem Steinmetzzeichen
versehen. Dieses Steinmetzzeichen taucht dann auch an den östlichen Strebepfeilern
des Chores auf und es findet sich an den Sockelquadern der Langhausseiten Süd und Nord am
Münster von Freiburg- hier auch an vorzüglicher Stelle, wohl als Meisterzeichen - an einem Bogen-
dienst des Westportals, womit ein gewisser Zusammenhang zwischen Freiburger Münsterbau und
dem Kenzinger Kirchenbau um 1300 bewiesen ist. Hatte man in Konstanz theoretisch dasselbe vorgeplant
wie für Freiburg, wo der Chorbogen ebenfalls 1.50 m über dem Boden der Turmkapellen
liegt, ohne durch eine Krypta bedingt zu sein ?

War der Grund hierfür der, daß in der um 1300 beginnenden süddeutschen Hochgotik, beim
Neubau von Stadtkirchen ein räumlich hoher Chor begehrt war, Ausdruck hohen gestalterischen
Willens und Strebens von Stadt und Kirche? Gewiß, der selbstbewußt gewordene.zum Stolz neigende
Stadtbürger, der gelernt hatte selbst sein Haus in die Höhe zu bauen, verfiel nur zu leicht in die
Überheblichkeit der heutigen Großstadtarchitekten, die in den Himmel gebaut haben und dabei
meinen, den Schöpfer aller Dinge übertrumpft zu haben, ja vergessen zu können. Diese Stadtbürger
durften zumindest im Haus Gottes das Staunen nicht verlernen, sollten über die Stufen zum erhöhten
Priesterchor hinauf in die prachtvollen Sterngewölbe schauen, die vom Lichte riesiger farbiger
Fenster bunt beleuchtet die geistige Größe, Macht und Prachtentfaltung Gottes erkennen ließen.

Der Hauptchor der Stadtpfarrkirche Kenzingen hat eine imposante Höhe, Würde und Breite.
Er ist von mächtigen Außenstreben gehalten und eingespannt zwischen die beiden Türme. Daran
schloß sich gegen Westen das Langhaus, eine dreischiffige, gewölbte Basilika an. Doch der Bau dieses
Vorhabens benötigte große Mittel und Materialmengen, viel Zeit, Vorbereitung und zahlreiche
erfahrene Arbeitskräfte. Es mußte ein Baumeister von auswärts die Leitung und Verantwortung
übernehmen. Dieser mußte gerade zur Verfügung stehen, frei sein von anderen Aufgaben. Er benötigte
eine Anzahl von tüchtigen Werkleuten die seinen Plan lesen und verwirklichen konnten. Es
mußten Verhandlungen geführt werden, Verträge geschlossen und mit dem Willen des Stadtherrn,
der die finanzielle Hauptlast zu tragen hatte, in Übereinstimmung gebracht werden. Jahre, wahrscheinlich
Jahrzehnte gingen ins Land seit der Stadtgründung, bis es soweit war, die Stadtpfarrkirche
erbauen zu können. Aus hier nicht ausbreitbaren Gründen bin ich der Ansicht, daß um 1300
vom Chorbau und den Türmen selbst nur wenige Meter über die Fundamente hinaus aufgebaut sein
konnte. Gewiß ist, daß aus stilistischen, historischen und ikonologischen Gründen die sogenannte
»Krypta« im Fuße des Südturmes erst kurz vor 1300, aber auch nicht danach erbaut worden sein
kann. Qualifzierte Kirchenbaufachleute konnten nur dann »angefordert« werden, wenn die Stadt
eine gewisse Einwohnerzahl hatte, über bestimmte Einkünfte von diesen verfügen und zum Bau beitragen
konnte, wenn die Steinmetzen, Maurer und Hilfskräfte nicht mehr für den Festungsbau,
nicht mehr vorrangig mit dem Bau von Werkstätten, Kellern und Häusern in Anspruch genommen
waren.

Die bisher fälschlich als Krypta bezeichnete Turmkapelle ist nicht das älteste Gebäude der
Stadt, aber das markanteste und mit seinem zeugnishaften Schmuck ein höchst interessantes Kunstdenkmal
.

Dieser über einem quadratischen Grundriß von 4 x 4 m Seitenlänge in dicken Mauern aufgebaute
und mit einem tiefherabgezogenen Kreuzgratgewölbe versehene, stilistisch der Übergangszeit zur

43


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1983-3/0045