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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1989-9/0026
Inzwischen war der Bub zurück. Der Wirt wollte uns bald wiedersehen und schenkte jedem
noch einen Wecken auf den Weg. Wir erstiegen den Hünersedel, den damals nur ein zusammengelesener
Steinhaufen krönte; sahen hinaus in die weite Rheinebene bis hinüber
zur Hohkönigsburg und bis hinauf zum Kandel, sahen hinein in all die kleinen Nebentäler,
die sich hier zu Dutzenden häufen. Das Elztal und das untere Kinzigtal bilden einen nur
wenig stumpfen Winkel, dessen Spitze durch die Straße Elzach - Haslach ausgerundet
wird. Inmitten dieses Winkels, fünf Stunden vom Rheine entfernt, bildet der Hünersedel
die größte Erhebung. Er spielt im Vorland des Schwarzwaldes eine ähnliche Rolle wie der
zwischen dem Weilertal und dem Breuschtal gelegene Odilienberg im Vorland der Vogesen.
Nicht ganz so hoch wie dieser, auch weniger berühmt, weil ohne Kloster und Heidemauern
wird er entsprechend weniger begangen.

Unser Abstieg lag klar vorgezeichnet; die Aussicht ersetzte die Karte: hinab nach Schweighausen
, dann beharrlich der Schutter entlang bis zur Eisenbahn. Die Wagen 3. Klasse waren
dazumal einfacher und weniger zweckmäßig eingerichtet als jetzt; aber sie waren in einer
besseren Verfassung als heute. Und so fand die Wanderung einen freundlichen Abschluß
.

Prunus domestica L.
Von Franz Sales Meyer

In den siebziger Jahren hatte man es noch nicht so eilig wie heute. Man brauchte keine
Bühler Frühe; man konnte es abwarten, bis die alte Haus-Zwetschge reif wurde, was durchschnittlich
Mitte September der Fall war. Die Frucht war nicht besonders groß und ansehnlich
, aber gut und brauchbar. Sie war noch stärker bereift als die Schlehen und noch schöner
himmelblau als diese. Dunkelviolett wurde sie erst, wenn man sie am Rockärmel polierte
. Ob der Baum aus dem Pontus oder aus Persien stammt und ob er über Ungarn zu uns
kam, ist nebensächlich; die Hauptsache ist, daß er da ist.

»Dürre« Zwetschgen waren damals eine Delikatesse, beliebt wie heute die Blutorangen und
Bananen. Wenn man die Zwetschgen selber dörrte, so wußte man was man hatte. Die Leute
, die nach Amerika fuhren, nahmen ganze Säcke voll mit, um unterwegs etwas zum
Knappern zu haben. Ein Zwetschgenkuchen ist großartig, wenn er richtig bezuckert und
der Bodenteig nicht zu dick genommen wird. Zwetschgenschleck aus dem grauen Steinzeugtopf
schmeckt fast ebenso gut wie eingemachte Preisseibeeren. Und viertens: ein gutes
Zwetschgenwasser ist besser als ein schlechter »Kirsch«. Darüber sind alle Gelehrten im
reinen.

Meine Schwiegermutter selig (Karoline Weissert, geb. Kaiser) war eine gescheite Frau und
hatte auch andere gute Eigenschaften. Infolgedessen kamen wir trefflich miteinander aus,
obgleich wir nicht auf dem Duzfuß stunden, wie es heute Mode ist. Ihr viel jüngerer Bruder
, erst Lehrer, später Ratschreiber und dann Bürgermeister, war nur wenig älter als ich.
Da er der Onkel meiner Braut und nachmaligen Frau, so war er der Kürze halber auch mein
Onkel. Seine Schwester bewohnte als Witwe ihr elterliches Haus. Die ihr zugefallenen Güter
hatte sie verpachtet mit Ausnahme einer großen Wiese. Als solche war diese nicht viel
wert, weil sie nicht bewässert werden konnte. Warum sie die »Gänsmatte« hieß, ist schwer
zu sagen. Gänse waren auf ihr nie zu sehen, wenigstens keine gefiederten. Daß diese Wiese
nicht verpachtet wurde, daran waren die vielen Zwetschgenbäume schuld, die auf ihr stunden
, ein paar Dutzend.

Wenn mein Onkel Karl (Kaiser) seine Schwester besuchte, was fast jeden Tag und oft auch
zweimal im Tag vorkam, so war sein erstes Wort; »Schenk mir ein Gläsle ein; ich hab' mir
auf dem Rathaus das Bauchweh angeärgert.« - »Angeärgert? - Ihr habt eben noch so laut
gelacht, daß ich es über die Straße herüber gehört habe. Du bringst mich noch um die ganze
Bibliothek.« (Die Spirituosen stunden im Bücherschrank hinter den Büchern). - »Ich

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