Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
10. und 11. Jahrgang.1990/1991
Seite: 60
(PDF, 67 MB)
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Schönheit als Wärme urbaner Obhut.

Friedrich Arnolds stadtplanerische Maßnahmen in Kenzingen vor 1815

Unter dem Gesichtspunkt der Stadtbaukunst läßt sich das 19. Jahrhundert als das der Stadterweiterungen
interpretieren. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, erklären sich im wesentlichen
aus dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach neuem Lebensraum und nicht zuletzt
aus dem konkurrenzfähigen Anspruch einer repräsentativen Ästhetik modernen Wohnens.
Landflucht im Zuge der industriellen Evolution, ein zunehmend dichteres Verkehrsnetz,
das wirtschaftlichen Aufschwung verhieß, die Städte infrastrukturell miteinander verband
und deren Wettbewerb untereinander im direkten Vergleich forcierte, Fortschrittsdenken
um jeden Preis, gepaart mit Geltungssucht und Habier, sind nur einige der Katalysatoren,
die, menschlich gesehen, zur Entfremdung der Gesellschaft führen mußten und spätestens
gegen Ende des Jahrhunderts, namentlich in den Ballungszentren der Großstädte, den
philosophisch erörterten Gegensatz von Herrschaft und Knechtschaft schüren sollten. Mag
das sendungsbewußte Rollenverständnis der in der „Gründerzeit" auftrumpfenden Kommunen
im Keim der oft schon großzügig geplanten Stadtvergrößerungen des frühen 19.
Jahrhunderts angelegt gewesen sein, so muß man sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklungsgeschichte
stets vor Augen halten, daß die Zeit um 1800 eine in materieller Hinsicht
denkbar dürftige gewesen ist, welche kulturell, und das heißt zugleich architektonisch,
zu biedermeierlicher Einfalt und Bescheidenheit zwang. Gut zu bauen unter dem Verdikt
des Schönen, hieß nicht selten aus der Not eine Tugend machen.

Um den kommunalen Problemen einigermaßen Herr zu werden, bedurfte es finanziell gesicherter
Voraussetzungen, weitsichtiger Politiker, kooperationsbereiter Einwohner und nicht
zuletzt eines organisationsfähigen Architekten; und dennoch sorgten oft die Lebensumstände
dafür, daß so manches einfallsreiche Projekt ein frommer Wunsch blieb, wie im
folgenden am Beispiel einer badischen Kleinstadt aufgezeigt werden soll.

I.

Auf den ersten Blick - vielleicht auch bei neugierigerem Hinsehen - mag der am Anfang
und im Brennpunkt dieses Beitrags (Essays) stehende Plan (Abb. 1) befremden1.
Er ist selten und gibt wie so manches archäologische Fundstück zu denken. Ihn zu lokalisieren
fällt dank seiner Überschrift, die zugleich den Zweck verrät, nicht schwer: „Entwurf
der neuen Anlage über die zu vergrössernde Stadt Kenzingen". Auch der Autor ist
genannt „fr: Arnold"; er zeichnet wie ein selbstbewußter Künstler unten rechts. Dargestellt
ist die „Haupt Strase" in Grund- und Aufriß. Der Stil der projektierten Gebäude
ist klassizistisch, die feine, sorgfältig aquarellierte Zeichnung der Weinbrennerschule verpflichtet
. Nicht allzu kräftige Farbtöne, vornehmlich ein helles Grau, lassen die mit der
Feder umrissenen Grundstücksverhältnisse unter der neuen Anlage hervortreten. Ein rötlich
angelegter Streifen - rechts neben dem „Post = Haus" oberhalb der Signatur - läßt auf
stehende Gebäude schließen. Die geplanten und in der Ansicht gegebenen besitzen gelblichgraue
Fassaden und ziegelrote Dächer - bei aller schematischen Vereinfachung und architektonischen
Uniformität (Vereinheitlichung) ein Hinweis auf eine naturverbundene Farbgestaltung
.

Auf der Rückseite des foliantengroßen Planes (50,7 x 74,1 cm) befindet sich ein zeitgenössischer
Vermerk, der in seiner bürokratischen Verschlüsselung dem Kode heutiger Geschäftsbriefe
gleicht: „Bau Plan der Stadt Kenzingen ad N: 9360. E/6753. R.w: 1814". Die letzte
Zahl, 1814, steht für die Datierung und macht den Plan für die badische Kunstgeschichte
um so interessanter.

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