Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
17. Jahrgang.1997
Seite: 37
(PDF, 31 MB)
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Heinrich Ochsner und der Wein

von Erwin Tecklenburg

In Kenzingen geboren, wuchs Heinrich Ochsner als Kind
dieser Stadt in einer Weinlandschaft auf; wir, die das Glück
hatten seine Freunde zu sein und ihn viele Jahre begleiteten,
dürfen sagen, daß diese Landschaft mit dem Wein als ihrem
kostbarsten Gewächs auch in ihn hineinwuchs, d.h. von Kindertagen
an sein Fühlen und Wissen um die Erde und um die
auf ihr wohnenden Menschen geformt hat. Er lebte ja ganz
natürlich im Jahr des Weins mit: durch die Wintermonate der
Stille und des ruhenden Wachstums, durch die Zeit des Rebschnitts
im Frühjahr, er verstand die Sorge um das Gedeihen
der Reben, die Furcht vor Unwettern, vor Hagel und Schädlingsbefall
; er nahm teil an der Weinlese, an der Dankbarkeit
, wenn die Wagen mit der Ernte des Jahres über die
Straßen rumpelten. Als ich in späteren Jahren mit ihm durch
die Weinorte lief, tauchte ich in seine Freude ein, wenn wir aus den Kellern das Blubbern des
jungen Weins hörten und die Luft von vielversprechenden Düften durchzogen wurde.
Schon der Großvater nahm den Buben mit auf seine Gänge in die Rebberge um Kenzingen
und in die Vorberge des Schwarzwalds. Auf diesen Wegen bekam er vieles erklärt, auch vom
Wein, was er nicht mehr vergaß. Wendepunkt der Wanderungen war jeweils ein Wirtshaus,
wo der Großvater ein Viertele Wein andächtig sürpfelte, ohne zu ahnen, daß er damit eine Gepflogenheit
stiftete, an der der Enkel Zeit seines Lebens mit Freunden oder allein festhalten
sollte. Wanderungen durch die Landschaften des Breisgaus, die beim Wein in einem Wirtshaus
ihren Höhepunkt fanden, waren und blieben eines der ganz wesentlich erfüllenden Elemente
seines Daseins. Er erwanderte sich nicht nur die schöne Natur mit ihren seltenen und
ihren weitverbreiteten Pflanzen und Lebewesen; er ging auf den Spuren der menschlichen Geschichte
, die ihm die Grenzsteine mit den Wappen der alten Familien und der Ortschaften veranschaulichten
und die sein gründliches Nachlesen ihm weitete und vertiefte.
Daß der Wein im Neuen Testament eine so bedeutende Rolle spielt, von der Hochzeit zu Ka-
na bis zum letzten Gedächtnismahl, gehörte zu Heinrich Ochsners Aufwachsen in der Religion
; durch den Meßwein wurde ihm frühzeitig die Verbindung des Weins mit dem Sakramentalen
vertraut. So war ihm der Wein stets mehr als ein Getränk unter anderen. Seine langen,
über die Universitätsjahre hinaus fortgeführten Studien erschlossen ihm unter anderem viel
von der altgriechischen Welt: der Wein stammte von den Göttern. Der verwandelnde Zauber
des Dionysos, Gott des Weins, war in ihm lebendig. Nicht alle Menschen kannten diese Gabe,
auch die Griechen nicht schon immer. Das herrliche Vasenbild des Dionysos, wie er im
Schiff, dessen Mast ein Rebstock ist, über das Meer kommt, feiert im mythischen Anblick das
Kommen des Weins nach Griechenland. Eine Wiedergabe dieser Schale des Exekias hing bei
Ochsner im Zimmer. Auch historisch ist es so, daß der Wein den Griechen erst gebracht wurde
, als ihre Welt, und das heißt ihre Götterwelt, sich schon eröffnet und gestaltet hatte: das
zeigt sich daran, daß, vom einzigen Dionysoskult abgesehen, der Wein im Kult der anderen
Götter nicht als Spende, nicht zum Opfer gebracht wurde (auch noch in Rom war es vielmehr
Milch).

Wanderte Heinrich Ochsner in den Weinbergen oder saß er mit Freunden beim guten Getränk,
kehrte ihm oft die griechische Überlieferung wieder. „Weinten" im Frühjahr frisch geschnittene
Reben hell aus den Schnittstellen, zitierte er aus den "Dionysiaka " des Nonnos von Pano-
polis, der nach diesem Epos gewissermaßen in historisch-zeitraffender Folge Christ wurde
und als solcher das Johannesevangelium in Hexameter-Verse brachte, um es der griechischen

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