Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
21., 22. und 23. Jahrgang.2001-2003
Seite: 134
(PDF, 49 MB)
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Helmut Reiner
Einführung

Ein Theatrum war in der Barockzeit eine beliebte architektonische Inszenierung, die die Passion
Christi visuell veranschaulichen sollte. Die Kreuzenthüllung am Karfreitag ließ auch das
Grab sichtbar werden. Bei der Auferstehungsfeier, dem Osterevangelium, schwebte die Statue
des Auferstandenen nach oben, in die Glorie der Engelwelt. Diese Scheinarchitektur wurde
letztmals 1899 aufgebaut und zur Schau gestellt. Die Pläne zu seiner Renovierung und weiteren
Verwendung wurden durch die politischen Ereignisse von 1914, den Ausbruch des Ersten
Weltkrieges, vereitelt. So geriet das Heilige Grab immer mehr in Vergessenheit. Vielleicht entsprach
solch ein Passionsszenario auch nicht mehr dem Empfinden und dem Geschmack der
Zeit.

Die Überreste lagerte man auf dem Dachboden der Pfarrgebäude, bis sie nach dem Zweiten
Weltkrieg entsorgt wurden. Nur die Statue des Auferstandenen, das Werk eines Freiburger
Schnitzers (1729), erinnert noch an das unvergleichliche Kunstwerk in der Kirche des heiligen
Laurentius.

Das „Theatrum" in der Pfarrkirche zu Kenzingen

von Dr. Ph. M. Halm in München

Wer in der Charwoche die Pfarrkirche zu Kenzingen, diesen sowohl in Bezug auf Architektur
als Malerei hochbedeutsamen, frühmittelalterlichen Bau besucht, wird mit Staunen den gewaltigen
Aufbau der Scheinarchitektur betrachten, der zu jener Zeit den Chor vom Schiffe der Kirche
völlig trennt. Auf einem von Balustraden betonten Unterbau erhebt sich, von mächtigen
korinthisierenden Säulen getragen, eine prächtige Halle, über welcher ein ebenfalls von einer
Balustrade nach vorne begrenzter, von Säulen getragener Giebel sich aufbaut. Seitlich des
Mitteltraktes sind je zwei balkonartige Fensteröffnungen angelegt. Die Säulenhalle und die
seitlichen Fensteröffnungen dienen nun als Rahmen für bildliche Darstellungen von Pas-
sionsscenen, die je nach den betreffenden Tagen verändert werden. Wir erblicken, um es kurz
zu sagen, ein stummes Passionsspiel, so zwar, daß in der Säulenhalle die Haupthandlung, etwa
die Kreuzigung oder Auferstehung sich abspielt, während in den Fenstern kleinere Scenen dargestellt
werden.

Wir finden ja wohl, zumal in Bayern, ähnliche, für kirchliche Feste bestimmte Scheinarchitekturen
- zumeist stellen sie uns ein heiliges Grab dar - keine aber ist auch nur im Geringsten mit
jener in der Pfarrkirche zu Kenzingen zu vergleichen. Vom ersten Blicke an wissen wir, daß
wir es mit einem wirklichen Kunstwerke, mit einem Meisterstücke in Architektur und Perspektive
zu thun haben, dem die Passionsscenen nur eingeflickt sind. Vertiefen wir uns allmählich
in die ganze Anlage der gewaltigen Szenerie und in die einzelnen architektonischen
Details, so wird es uns bald als unzweifelhaft erscheinen, daß nur ein italienischer Barockkünstler
ersten Ranges ein solch gewaltiges Werk konzipieren konnte. Ich sage konzipieren,
denn die Ausführung rührt wohl von einem Deutschen her; der Entwurf aber atmet italienischen
Geist, und kein Geringerer mußte dem deutschen Maler den Mangel eigener Phantasie
und künstlerischen Könnens zu ersetzen helfen als Andrea dal Pozzo.

Schlagen wir in dieses fruchtbarsten, phantasiereichsten Barockkünstlers Perspectiva pictorum
atque architectorum (I. pars) die Tafel 71 auf, so erkennen wir deutlich das Vorbild des deutschen
Malers. Der dieser Figur beigedruckte Text besagt: Theatrum repraesentans Nuptias

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