Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 5
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0007
Vorwort

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs haben ein zwangsverpflichteter Fremdarbeiter aus Toulouse
, Jose Cabanis, und mehrere Bewohner von Kenzingen, die meisten von ihnen Frauen, ein
bewegendes Beispiel von Mitmenschlichkeit gegeben, das wert ist, in das öffentliche Bewusst-
sein gerufen zu werden.

Der junge Franzose, ein Philosophiestudent, hat aufgrund seiner Arbeitsverpflichtung in einem
Kenzinger Rüstungsbetrieb vom Oktober 1943 bis zum Ende des Krieges im April 1945 in der
Stadt gewohnt. Er wurde ein bedeutender Schriftsteller und hat das in Kenzingen Erlebte in
mehreren Werken literarisch gestaltet. Damit wollte er, wie er hierher schrieb, ein Zeugnis
geben von „meiner Dankbarkeit, meiner Freundschaft und meiner Liebe für Deutschland". Ein
überraschendes Bekenntnis! Auch als Mitglied der Academie franfaise, mit Literaturpreisen
ausgezeichnet, bewahrte er eine tiefe Anhänglichkeit an Kenzingen und seine Bewohner.

Man fragt sich, was diese Stadt für ihn so liebenswert gemacht hat. Nichts deutet darauf hin,
dass man in den letzten Kriegsjahren, unter dem zermürbenden Druck von Propaganda und
Terror, hier anders gelebt hätte als in vielen anderen Orten Deutschlands. Die Anzeigen von
den Gefallenen und Vermissten häuften sich, die Luftangriffe und die näher rückende Front
machten den einst fernen Krieg zur grausamen Wirklichkeit.

Auch die äußeren Lebensumstände des Studenten unterschieden sich nicht von denen seiner
Kameraden. Die ersten Eindrücke in Deutschland, anfangs in Köndringen, dann in Kenzingen,
waren niederschmetternd: ein „Stück" einer Herde, „die dem Feind geliefert" wird, vielleicht
für Jahre von Familie und Heimat getrennt. „Meine Arbeit und meine ganze gegenwärtige
Lage", so notiert er, „würden ausreichen, mich an allem verzweifeln zu lassen".

In der Angst, sein Selbst zu verlieren, macht er sich bewusst, „daß etwas in mir lebt, das nicht
sterben darf, auf das ich warten können muß". Er entschließt sich, mit allem zu brechen, was
vorher war, und das Leben anzunehmen, eingeschränkt wie es war in einem „winzig kleinen
Winkel der Welt".

Der ersehnte Neuanfang gelingt, und alles Beglückende, das er nun erlebt, wird sich künftig
mit dem Bild der Stadt verbinden. Er gewinnt die Liebe einer jungen Ukrainerin, und in der
Erinnerung sieht er auch die verschwiegenen Wege wieder, die sie gemeinsam gegangen sind.
Er entdeckt „die Schönheiten der Welt", die Hügel am Schwarzwaldsaum, die engen Täler mit
ihren verborgenen Dörfern. „Bombach, Heimbach, Hecklingen", so schreibt er später, „ihre
Namen klingen wie Musik in meiner Erinnerung".

Tief prägt ihn die Begegnung mit den Menschen der Stadt. Jose, der die gemeinsame Unterkunft
verlassen und ein Privatzimmer nehmen darf, will sie kennen lernen, mit ihnen zusammen
leben. Er schenkt ihnen sein Vertrauen - und das damals nicht Selbstverständliche
geschieht: sie erwidern es mit unbefangener Herzlichkeit. Sie laden ihn ein, er sitzt an ihrem
Küchentisch, liest, hört Radio, kann bei ihnen daheim sein. In den angstvollen Tagen des
Zusammenbruchs wird ihre Zusammengehörigkeit zur unverbrüchlichen Freundschaft. Auf
gefahrvollen Wegen holt ihn die Vermieterin aus Bollschweil zurück und versteckt ihn vor der
SS und der Polizei. Mit den Nachbarn bangt Jose um das Leben, sucht bei Beschuss mit ihnen
Schutz in den Rebbergen oder Kellern.

Nach dem Krieg hüten Jose Cabanis und „seine" Deutschen ihre Freundschaft wie ein Kleinod,
und es scheint mir, dass sie auch uns berührt. Sonst hätte dieses Buch kaum entstehen können.
Den ersten Impuls gab der 64-jährige Cabanis selbst, als seine Enkelin Susanne 1986 als Austauschschülerin
nach Kenzingen kam und er ihr seine Grüße an die Freunde mit auf den Weg

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