Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 18
(PDF, 30 MB)
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Suppe. Ich fürchte so langsam, daß Papa mir das erbetene Geld nicht schicken will: Dann
bleibt mir nur noch der Selbstmord. [...] Ich bin euretwegen unendlich traurig. Dennoch, die
Stimmung ist immer noch gut. Ich bin nur ein wenig wütend auf Euch. Warum eigentlich
schreibt Ihr mir nicht? Euch mögen acht Tage kurz erscheinen - mir nicht! [...] Schreibt mir
und schickt mir Geld. 29

55 Jahre später urteilt Cabanis: Ich machte mir keine Gedanken darüber, was sie denken würden
, wenn sie meinen Brief erhielten und meine Vorwürfe lasen. [...] Ich war um so grausamer
als ich sicher war, daß sie mich liebten; ich riskierte nichts. [...] Ich gebe gerne zu, daß ich
von Sinnen war, selbst wenn ich Mühe habe, es mir jetzt vorzustellen. Man lebt in der Angst,
und es kommt der Tag, an dem man sie nicht mehr versteht. Ich hätte diesen Brief, der mich
beschämt, nicht aufbewahren sollen. [...] Die Wahrheit ist, daß ich ein ungezogenes Kind war,
zärtlich, aber unartig, egoistisch und leichtfertig. Wo war die Selbstbeherrschung, die meine
Mutter wünschte? Es gibt nur eine Entschuldigung: die leidenschaftliche Liebe, bei der man
nicht mehr weiß, was man tut.V) Der Zustand der Erschöpfung, der Anspannung und Verzweiflung
, die Jose, entwurzelt31 im Land des Feindes, stets zu verheimlichen suchte, hier hatte er
die Oberhand gewonnen und seine Angst vor dem Alleingelassensein verraten. Nach zwei
Tagen erreichten ihn die durch die Kriegswirren verspäteten Briefe, und er antwortete
unverzüglich, um, wie er reumütig betonte, den Eindruck seines letzten Schreibens zu löschen.

Das liebe Geld

Während Vertrauen, Liebe, Sorge für den anderen rasch wieder den weiteren Briefwechsel bestimmen
, bleibt die Geldnot des Sohnes noch längere Zeit ein ungelöstes Thema: Schon am 23.
August 1943 berichtet Jose seinem Vater, dass er für 15 Tage 22 Reichsmark erhält (15). Eine
abendliche Suppe aus der Kantine ist für einen jungen Mann nach einem langen Arbeitsnachmittag
zu wenig, und die Lebensmittelkarten decken nicht den Brotbedarf eines hungrigen
Franzosen. Da bleibt nur ein Abendessen im Gasthaus, und dies kostet wenigstens 1 Mark 30.
Brot, Butter, Zucker müssen zugekauft werden, für Post gibt Jose allein ein Fünftel seines
Lohnes aus (25 Pf. für jeden Brief), für Tabak 7 Mark. Daß nach einer Woche harter Arbeit
gelegentlich eine Zugfahrt nach Freiburg für 8 Mark kein Luxus, sondern eine die Stimmung
hebende, notwendige Unternehmung ist, steht für Jose außer Zweifel, zumal die Kameraden
dies vormachen. Schließlich fallen noch jede Woche 2 Mark für die Wäscherei an. Sie müssen
mir unbedingt 5000 Franken schicken, sonst muß ich auf die Fahrten verzichten. Verkaufen Sie
lieber meine Bücher, aber schicken Sie mir, ich flehe Sie an, dieses Geld. Die anderen haben
viel mehr Geld als ich. [...] Diese Fahrten brauche ich unbedingt um durchzuhalten.7,2

Wenn auch Jose den Eindruck hatte, dass seine Eltern sein inständiges Bitten um Geld nicht
richtig verstünden, es lag an widrigen Umständen, dass seine Mutter ihm erst am 29. September
mitteilen konnte: Was uns mehr stört, [als die Enttäuschung mit der Frau Doktor (vgl. S.
21f)7 ist, Dich so sehr in Geldverlegenheit zu wissen. Wir haben alles Mögliche getan, damit
es schnell geht, aber es hing nicht von uns ab. Wie Dein Vater Dir mitgeteilt hat, ist die
Genehmigung eingetroffen, das Geld ist abgeschickt (4000 Franken, die Höchstsumme), und
Du wirst es bestimmt erhalten."

s Cabanis, Lettres, S. 73 f.
30 Ebd., S. 75.
" Ebd., S. 118 (deracine).
12 Ebd., S. 55.

33 Ebd., S. 134. Hervorhebung im Original.

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