Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 41
(PDF, 30 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0043
Abb. 32:
Kaiser-
Apparate-
Bau

Statt dessen diente er der Werkskontrolle von Zündern, die dort jede Woche einige Male überprüft
wurden: In den Turm war ein Holzschacht eingebaut worden, in den man die gefertigten
Zünder fallen ließ. Wenn diese beim Aufprall unten richtig explodierten, waren sie funktionsfähig
und in Ordnung. Gleichzeitig diente der Turm als Aussichtsplattform für die
Luftüberwachung.w Ein Beobachter gab Fliegeralarm, wenn sich feindliche Flugzeuge
näherten. Sie überflogen die Fabrik häufig, aber bombardierten sie nie, sondern eher die Häuser
der Stadt, einen Bauern auf dem Feld oder Kinder auf einem Pfad. Es war der Krieg des Rechts
gegen die Barbarei", meinte Jose dazu ironisch. Manche Leute vermuteten geheime Verbindungen
der jungen Franzosen zu ihrem Vaterland als Grund für die auffallende Schonung der Kaiser-
Apparate-Bau. In Joses Tagebuch findet sich nicht der kleinste Hinweis auf derlei Zusammenhänge
. Dennoch, auch Zeitzeugen berichteten von solchen Spekulationen (32).

Für Jose trafen in der Fabrik zwei Welten aufeinander: Die der Büros mit Blumen auf den Tischen
, wo gefällige Sekretärinnen in hellen Kleidern mit Ingenieuren verkehrten, und die
tosende und dreckige Hölle der Maschinen und der Proletarier, zu denen er auch sich zählte.
Zweimal musste er nachts im Keller an einer Drehbank stehend arbeiten, in einem höllischen
Lärm, wie er ihn in der Bleimine von Seintein (vgl. 10) erlebt hatte. Das zweite Mal täuschte
er einen Ohnmachtsanfall vor und fiel um, mit dem Gesicht ins Öl. Ihn unter beiden Armen
stützend, schleppte man ihn weg, während er sich ins Fäustchen lachte. Von da an wurde er nie
mehr zur Nachtschicht eingeteilt und brauchte auch nicht mehr im Keller in der tiefsten Unterwelt
der Hölle 91 zu arbeiten. Er verließ kaum noch das Fließband in der ersten Etage, wo er
wenigstens sitzen konnte, wo es Fenster gab, durch die er Bäume sah, wo er nicht weit von
Anna saß, die ihn anblickte, und die er anblickte: welch ein Glück! Inmitten endloser Unlust
waren dies für ihn Augenblicke intensivster Glückseligkeit.

Freie Zeit

Die Lagertür wurde aufgestoßen, eine barsche, Angst einflößende Stimme brüllte: „Hopp, hopp,
auf zum Bahnhof!", und ein brutal aussehender, großer, massiger Mann mit Schielaugen stand
auf der Schwelle und donnerte den Befehl. Er war der Lagerführer, der gutmütigste Mensch der
Welt, einer, der keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte, der sich aber verpflichtet glaubte, eine
rauhe Stimme und die Manieren eines Gefängniswärters haben zu müssen. Es war Sonntag,
acht Uhr, und wie meistens hatte man eine Möglichkeit ersonnen, die jungen Franzosen an

Auskunft Zeitzeuge Meier, dessen Vater Pförtner bei Kaiser war.
Cabanis, Les profondes annees, S. 202
Ebd., S. 203.

41


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0043