Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
34., 35. und 36. Jahrgang.2014-2016
Seite: 296
(PDF, 66 MB)
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Siedler „ziemlich spärlich " gewesen, aber „für uns, die Nachkommen, war es eine
blühende Zeit". „Man konnte eine Existenz finden. " „Es ging uns ziemlich gut. "
Bis zu den „ nationalen Wendungen " hatten sie sich sehr gut mit den „ slawischen
Nachbarvölkern " verstanden. Mit dem Anschluss des Sudetenlandes hatten sich
die Beziehungen zusehends verschlechtert, so dass man „bis zur Aussiedlung"
einander fremd geworden war. Sie hatten ihre „Heimat räumen" müssen und
waren zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs Deutschlands in den Böhmerwald
gelangt. Von dort wurden sie kurz darauf von tschechischen Einheiten vertrieben
und nach Bayern transportiert, wo sie sich als landwirtschaftliche Arbeiter auf
einem Bauernhof verdingten. Danach wurden sie 1946 nach Baden, genauer nach
Weingarten, „verlegt". Es war eine Zeit mit sehr knappen Lebensmittelzuteilungen
gewesen. Doch bald hatten sie mit Hilfe der Badischen Landsiedlung siedeln
können, wobei sie vom Staat und der Gemeinde unterstützt wurden. „ So geht es
uns jetzt als Landwirte einigermaßen, wiederum im gewohnten Raum ". Mit diesem
Fazit beschließt der Großvater diesen Teil des Interviews.

In der familiengeschichtlichen Erinnerung wird die Zeit in der alten Heimat bis
1938 sehr positiv geschildert. Nach harten Zeiten, also Krieg, Evakuierung, häufig
wechselnden Aufenthaltsorten und einem Leben am Rande des Existenzminimums
, geht es ihnen zum Interviewzeitpunkt wieder „einigermaßen", also nicht
unbedingt gut. Hier scheinen bereits drei Dinge auf: a) Die „alte Heimat" wird
idealisiert, b) Erinnerung ist immer abhängig vom Zeitpunkt der Erinnerung, c)
Geschichte wird als erlittene Geschichte dargestellt. Über ein Engagement im
Sinne des Nationalsozialismus oder des „Ustascha"-Regimes während des Krieges
vor Ort - immerhin war Müller sen. Bürgermeister - wird nichts gesagt. Bedingt
durch die „hohe Politik" seien sich die Ethnien untereinander fremd geworden
. Weitere Erläuterungen gibt es nicht. Dagegen ist die persönliche Verbindung
zur späteren Wohnregion dem Erzähler besonders wichtig; er stellt sie über das
nahe gelegene Herkunftsgebiet seiner Vorfahren her. Damit unterstreicht er die
Legitimität der Wohnsitzwahl, was damals von so manchem Einheimischen den
Vertriebenen und Flüchtlingen mit abwertenden Bezeichnungen wie „Vagabunden
" oder „Zigeuner" bestritten wurde.

In der folgenden Passage geben der alte und der junge Bauer im Wechsel Erläuterungen
zur Landwirtschaft in Novo Selo. Der Großvater kommt auf die Hanferzeugung
zu sprechen: Wegen seiner geringen Quantität und Qualität wurde der
Hanf nicht veredelt. Daher wurde er als Rohstengelhanf an die Fabrik in Vukovar
verkauft18. Trotzdem war der Verkauf von Hanf wirtschaftlich lohnender gewesen
als der von Weizen und Kukuruz (Mais). Mehrmals bedauert der Sprecher, dass
man den Hanf nicht selbst veredelt hatte. Bei dem Vergleich der Hanfaufbereitung
in Novo Selo und in Vukovar verweist der Erzähler auf die einfachere Methode in

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