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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 36
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ist kein Ding unmöglich". Drauf Grossmann: „dann stellt Dir ja noch
allerhand bevor!"

*

Nach der Jahrhundertwende büßte an der Uni ein vollbärtiger Sanskritologe
seine Majatage ab. Er führte mangels einer indischen Ziege eine mollete Sächsin
am seelischen Halfterband, die sich zu seiner Linken hielt, weil er in der Rechten
stets ein Schoppenglas trug, das dieser geistige Milchbruder Gandhis bald
am Brunnen auf dem Kartoffelmarktplatz, bald am Bertold-Schwarz-Brunnen
spülte. Denn seine Wallfahrtsgänge bewegten sich zwischen Briems Weinstube
und der Burse. Dort studierte er seine Texte auf Dünndruckpapier mit der
Wusseligkeit eines kurzsichtigen Liebhabers, der im Telefonhäuschen nervös
eine Nummer sucht.

Oben am Hebsack saß ein anderer Ostasiate, Professor Ernst Grosse, in
Buddharuhe, dem der Abendwind von fern den Duft von Lotosblüten zuwehte.
Nur in Herdern möglich, wohin der „Höllentäler" nicht dringt. Vornehm und
rein wie ein aus Sandelholz geschnitzter Heiliger thronte er auf seinem Lehrstuhl
, zu seiner Konzentration unaufhörlich mit zwei Nüssen in der Tasche
spielend, deren Schale er in unendlicher Geduld auf Hochglanz gebracht hatte.
Der Kaiser von Japan erhob ihn in den Ritterstand, und so durfte er seine
Briefe mit einem roten Stempel versehen, dessen rätselhafte Schriftzeichen sein
eigentliches Gesicht noch unnahbarer machte. Er trank den Tee nur aus grünem
Pulver bereitet, bot den Gästen aber Tee nach Europäerart an. Mit taoti-
stischem Tastgefühl spürte er die intimsten Reize von Werkstoff und Form
auf, und es mutet wie die Rache von Dämonen an, daß er nach dem Genuß von
Trauben aus diesem Leben schied, um sich noch vor dem „Erwachen Deutschlands
" auf Seelenwanderung zu begeben.

In einem Rang den Menschen näher, auch in Herdern, aus einem Goethe
befreundeten Hause stammend, wirkte Noeggerath in ansteckender Lebensfreude
. Kurz „Noegg" genannt. Studentinnen umgaben ihn wie Bienen den

Imker zur Schwarmzeit. Er überbot alle Rekorde
an Weihrauchverbrauch und feierte als
Vertreter der Hochschule, wo er auftrat, als
imposante Persönlichkeit Triumphe mit seiner
Schlagfertigkeit, seinem Witz, seinem Rednertalent
, seiner Improvisationsgabe.

*

Nichts verband den kleinen Mann je mehr
mit der Uni als die Anatomie. Dort konnte der
Soldat mit seiner Braut am Sonntag die Werkstatt
der menschlichen Natur studieren und in
Spiritus die grottenolmbleichen Wesen, die dank
zu früher Eingriffe um das Recht ihrer Erstgeburt
gekommen sind. Da gab es vergleichsweise
auch Bildtafeln, jede Stufe der Menschheitsentwicklung
registrierend bis zur Epoche
der Rückgratsaufrichtung. Die Anatomie stand
für viele noch über dem Pfandhaus, weil sie die
Sicherheit zu bieten schien, schon zu Lebzeiten schlimmsten Falles mit einem
Hunderter das Vermächtnis der einstigen Leiche zu honorieren. Machte dennoch
einer dieses Angebot, fertigte ihn Professor Keibel, gefürchtet wegen seiner

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