Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 120
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Das Gesicht unserer Stadt veränderte sich indessen immer mehr als Folge
der Industrialisierung und der damit verbundenen soziologischen Umschichtung
. Die Bevölkerung wuchs rasch, aber ebenso auch das Zutrauen zum
klinischen Krankenhaus. Die jahrhundertealten Vorurteile der Bürger gegenüber
dem Hospital schwanden. Bis zur Jahrhundertwende hatte es den Charakter
einer großen provinziellen Heilanstalt angenommen, deren Wohltaten
nicht allein von den Bewohnern des ganzen badischen Oberlandes anerkannt,
sondern auch von den Angehörigen der benachbarten Staaten in hervorragendem
Maße gesucht und begehrt werden27.

Die neue Zeit verwandelte also das Bild des Hospitals
, das durch die Jahrhunderte engstens und vorwiegend
mit den Armen verbunden war.

Aber auch im Armenwesen selbst haben sich große Veränderungen vollzogen
. Bis zum letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts galt die Stadtgemeinde
noch nicht als die den Armen gegenüber aus eigenen Mitteln verpflichtete
Gemeinschaft, wenngleich sie stets den Armenfonds und den Spitalfonds verwaltete
. Die Armen waren also ganz auf die Almosen der Bürgerschaft und auf
die Stiftungserträgnisse angewiesen. Erst durch das Unterstützungswohnsitzgesetz
vom 6. Juni 1870 wurde die gesetzliche Unterstützungspflicht durch die
Gemeinden und damit auch die Pflicht zur Gewährung der erforderlichen
Krankenhilfe eingeführt28. Elf Jahre später erging die „kaiserliche Botschaft"
mit dem Ziele, „den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des
Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen". Das war die Geburtsstunde
der deutschen Sozialversicherung. 1883 folgte das Reichs-Kranken-
versicherungsgesetz und damit die Errichtung der Krankenkassen.

Aus dem einstigen städtischen Armenspital in der
Gerberau 3 4 mit seinen 14 Betten ist ein großes Universitätsklinikum
mit 13 Kliniken und mit über 2000
Betten geworden. 2350 Ärzte, Krankenschwestern,
Krankenpfleger und technisches Personal versorgen
die Kranken. An die Stelle der einstigen Armen sind
weitgehend die Kranken versicherten getreten. Aus
Almosenempfängern wurden anspruchsberechtige S o -
z i a 11 e i s t u n g s e m p f ä n g e r , a u s verarmten und rechtlosen
Einwohnern wurden berechtigte Bürger!

Seit jenen Tagen, als der professor praxeos in das Armenspital einzog und
Spitalphysikus wurde, bis zum heutigen Tage ist indessen die alte Verbindung
der ärztlichen Wissenschaft und Lehre mit dem Krankengut erhalten geblieben
. Sie vollzieht sich täglich von neuem an den Krankenbetten und in den
Hörsälen und Ambulatorien des großen Universitätsklinikums, ebenso in
einer mit allen diagnostischen und therapeutischen Einrichtungen versehenen
modernen Medizinischen Universitäts-Poliklinik, der einstigen Armenklinik,
die auch heute noch im Auftrag des Städtischen Wohlfahrtsamtes die ärztliche
Betreuung der nichtversicherten Hilfsbedürftigen weiterhin besorgt. Über die
kurative Medizin hinaus wurden dank der Initiative hervorragender Kliniker
zahlreiche Einrichtungen und Beratungsstellen geschaffen, die zur gesundheitlichen
Vorsorge der ganzen Bevölkerung kostenlos zur Verfügung stehen.

2" Vorlage des Stadtrats an den Bürgerausschuß — Erbauung zweier neuer Kliniken — 1903.
-8 Freiburger Ortsstatut über die öffentliche Armenpflege vom 3. Dezember 1878.

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