Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 159
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quarren und Unken rufen*. Die Funde der untersuchten Flächen ruhten in
den Schachteln und die Grabungsberichte in den Akten des Museums für
Urgeschichte in Freiburg.

Im Herbst 1941 wurden die Scherben wieder hervorgeholt. Da sah man
sie durch Monate hindurch auf langen Tischen im Bibliothekszimmer des
Museums für Urgeschichte ausgebreitet. Ein graubärtiger Studienrat, Herr
Hammel, war damit beschäftigt, die ziemlich zahlreichen Randstücke der
Gefäße nach ihren Formen zu ordnen und Verwandtes zu Gruppen zusammenzufügen
. Er ist einer jener seltenen Menschen, die sich mit Dingen
des hohen Mittelalters abgeben. Scherben etwas späterer Zeit hatte er bei
der Ausgrabung und Untersuchung der Burg Lützelhart bei Seelbach im
Schuttertal bereits ausgiebig studieren können. Nun versuchte er, in den
wenigen Büchern und Schriften, die von mittelalterlicher Keramik etwas ausführlicher
handeln, Rat zu holen. Das einfachste, was man verlangen kann,
war nämlich von den Bewohnern des abgegangenen Dorfes bei Merdingen
versäumt worden: irgendwo einen Stein in den Boden zu stecken, in den das
Jahr eingemeißelt war, an dem diese Siedlung erbaut wurde. Diese Leute
scheinen auch so bettelarm gewesen zu sein, daß nicht einer von ihnen eine
lumpige Münze verlieren konnte, die eine Jahreszahl hätte liefern können.
Aber schließlich war es ihm doch gelungen, durch den Vergleich eines halben
Llunderts von Randprofilen mit ähnlichen, an anderen Orten gefundenen
festzustellen, daß der abgegangene Ort dem 12. Jahrhundert angehört2. Oft,
wenn ich in der Bibliothek nach einem Buch suchte, erzählte er mir von seinem
Forschen, seinen Meinungen und Zweifeln. Ich muß gestehen, daß es
mir bis dahin die mittelalterliche Keramik gar nicht angetan hatte. Wenn ich
auf einem Acker gelegentlich einen der harten, grau gebrannten Scherben
aufgelesen hatte, dann hatte ich ihn oft mit den Worten „finsteres Mittelalter"
wieder fallen lassen. Als ich aber eines schönen Tages einen Scherben gezeigt
bekam, von dem behauptet wurde, daß er mit Kalk gemagert sei, kam plötzlich
ein Rad ins Rollen, das bis dahin stillgestanden hatte. Ich nahm den
Scherben mit in mein Laboratorium, legte ihn unter das Binokularmikroskop,
betupfte ihn mit einem Tropfen Salzsäure und sah, wie von allen den hellen
Mineralkörnern die Kohlensäure perlte. Es hatte also mit dem Kalk seine
Richtigkeit. Da aber gerade dieser Scherben nicht mehr mittelalterlich aussah
, stellte ich eine Anzahl anderer auf die gleiche Probe. Sie waren nicht
alle, aber doch zum guten Teil ebenfalls mit Kalk gemagert.

Wenn ich einem Hafnerlehrling sagen würde: „Du tätest gut daran, unter
den Ton etwas zerklopften Kalk zu mengen", so würde er, falls er sich zu
ausgesuchter Höflichkeit zwingen würde, mir antworten: „Diese Weisheit
können Sie ruhig für sich behalten! Man kann den Ton mit allem Möglichen
magern, nur nicht mit Kalk." Wahrscheinlicher aber ist es, daß er mit dem
Zeigefinger vielsagend auf seine Stirn deuten würde.

Für den Töpfer ist Kalk im Ton dasselbe, was für den Autofahrer Wasser
im Benzintank. Wenn Kalkspat oder Kalkstein auf über 900 0 C erhitzt wird,
verwandelt er sich in gebrannten Kalk, eine kreidig weiße, poröse Masse.
Befeuchtet man ein Stückchen davon mit Wasser, so bläht es sich unter Dampf-

* Nach d e.m Kriege ist dieser Graben wieder zugeschüttet und das Gelände eingeebnet worden.

2 Der gesamte Grabungsbefund und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bearbeitung des Materials
wurden veröffentlicht durch F. Garscha, K. Hammel, W. Kimmig, G. Kraft f, E. Schmid: Eine Dorfanlage
des frühen Mittelalters bei Merdingen (Landkreis Freiburg), in Bad. Fundber. 18, 1948/50, S. 137 ff.

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