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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 181
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1957/0181
Kristallgefäße verändert worden sind und eine Neufassung erhalten haben43.
Teils beschränkt sich bei diesen Gefäßen die ..Modernisierung" auf die Metallmontier
ung, teils aber wird die gotische facettierte Oberfläche des Kristalls
durch ornamentalen Schnitt vollkommen verändert. Nur im Umriß bleibt das
Gefäß noch gotisch. Bei diesen Werken handelt es sich aber um Monolithgefäße
, um die Fassung eines Kristalls. Die Kristallteile unserer zusammengesetzten
Pokale sind aber so einheitlich, daß an eine Wiederverwendung
alter Steine nicht zu denken ist. Das Metall faßt nicht allein den Kristall,
sondern Fassung und Kristall sind ganz gleichwertig und ganz aufeinander
abgestimmt. Somit erledigt sich für unsere Reihe die Möglichkeit der Neufassung
alter Kristalle. Wie aber hat man sich die Beziehung zwischen Kristallarbeiter
und Goldschmied zu denken? Unsere Urkunden sagen darüber nichts.
Fiat man etwa serienmäßig Kristallteile hergestellt, sie in Handel gebracht,
Goldschmieden verkauft, und wurden sie dann von ihnen gefaßt?

Doch wie die Form des ganzen Gefäßes nicht vom Kristall her, sondern
von der Montierung her bestimmt wird, das läßt den Goldschmied als Entwerfer
erkennen, als den Schöpfer, der das Werk in Auftrag bekommt und
die Kristalle schleifen läßt, wie er sie braucht. Bei dem Umfang und der Bedeutung
der Freiburger Kristallschleiferei erklärt es sich von selbst, daß die
Freibnrger Goldschmiede für ihre Pokale handwerklich in Facetten geschliffenen
Bergkristall gern benutzt haben. Nur vom Goldschmied her als Auftraggeber
der Kristalle läßt sich die einheitliche Wirkung eines Pokals erklären
. Der Schliff der Freiburger Kristailpokale ist traditionsgebunden. Er
weist zurück auf die Gotik, deren großartigstes und berühmtestes Werk, der
Flofbecher Philipps des Guten, burgundisch ist44. Die deutschen Kristallarbeiter
des 16. Jahrhunderts gehen ganz verschiedene Wege. Für die einen
werden die glanzvollen Werke des italienischen Cinquecento vorbildhaft45, die
anderen bleiben in der Überliefern]]g des gotischen Kristallschliffs, der ganz
auf Fassung berechnet ist und dessen Anfänge wohl doch in der französischen,
burgundischen Kunst4" liegen. Einige dieser Kristallarbeiten des 15. Jahrhunderts
, die wesentliche Gemeinsamkeiten mit „Burgundischem" haben,
wurden von Pazaurek47 für Freiburg in Anspruch genommen. Doch da uns
jede Vorstellung von erwiesen freiburgischen Kristallwerken der Spätgotik
fehlt, da keine der in Betracht kommenden Arbeiten durch ihre Fassung
einen Hinweis auf ihren Entstehungsort gibt, bleibt eine solche Lokalisierung
reine Hypothese, allein erschlossen aus der Bedeutung des Borer- und
Balierergewerbes in P'reiburg. 1474 hat zwar Erzherzog Sigmund von Tirol von
Stefan Notenstein 26 Herzen von Jaspis, Blutstein und Calzedon48 bezogen,
von Michel PIeß 1478 sechs Serpentinschalen49. Doch die Arbeit kunstvoller
Kristallwerke kann in Freiburg quellenmäßig erst 1524 belegt werden, als
Hanns Scher für die Kunst der „holen arbeit der christallinen trinkgeschirr"

13 Gustav E. Pazaurek, Mittelalterlicher Edelsteinsehliff, Belvedere 9, 1950, S. 185 f. — Im gleichen Aufsatz
S. 192 ff. wird Wesentliches zum Freiburger Edelsteinsehliff gesagt.

44 Leitner, Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses. — Schlosser, Album der kunsthistorischen
Sammlungen, S. 51. — Pazaurek a. a. O. Abb. 128/1. — Wentzel im RDK Bergkristall.

45 G. E. Pazaurek, Die Gläsersammluiig des Nordböhmischen Gewerbemuseums in Reichenberg, Leipzig
1902 (Steinschneider in Prag, S. 8/9). — Rudolf Hallo, Hessischer Kristall- und Steinschnitt des Barock.
Altes Kunsthandwerk I., Wien 1928, S. 181 f. — Pazaurek, Franz Gondelach, Berlin 1927.

4G Zur Frage des burgundischen Kristallschliffs: Hans Wentzel, Stichwort Bergkristall im RDK — in
diesem zusammenfassenden und wegweisenden Aufsatz audi alle anderen Probleme des Bergkristall-
schliffs, nicht zuletzt das der Schwierigkeit und Fragwürdigkeit ihrer Lokalisierung.

41 Pazaurek, Mittelalterlicher Edelsteinsehliff a. a. O. S. 191 ff.

48 Wiener Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen 20, Reg. 18 215. — Pazaurek a. a. O. S. 195.

49 Wiener Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen 21, Reg. 18 564. — Pazaurek a. a. O. S. 195.

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