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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 212
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kasperltheater überbrückt zu haben, indem er der Handpuppenaufführung
so viel vom literarischen und künstlerischen Reiz der Marionettenbühne gab,
wie dies nur möglich war, ohne gleichzeitig ihre Volkstümlichkeit, Naivität
und humorvolle Ursprünglichkeit aufzugeben. Schlick stand damit allem.
Zwar hatte eine Renaissance der Marionette um die Jahrhundertwende erneut
eingesetzt5. Die Wendung zur angewandten Kunst und zum Kunstgewerbe
und die vom Naturalismus zum Symbolismus in der Literatur um 1900 mußten
dieser Renaissance günstig sein. Neben dem berühmten Marionettentheater
Paul Branns in München und dem Aichers in Salzburg eröffnete so 1911 Ivo
Puhonny sein Marionettentheater in Baden-Baden, das auf lange Zeit eine
der besten Marionettenbühnen in Deutschland gewesen ist6. Was Puhonny
und Ernst Ehiert, die neben Pocci auch Polgar, Wedekind, Lessing, Goethe,
Wilhelm von Scholz, Eulenberg und Mozart aufführten, für die Kultivierung
der Marionette in Führung, Eigurengestaltung, Raifinesse der Dekorationen
und Sprechtechnik geleistet haben, sichert ihrem Theater- unbestreitbar den
Rang des besten badischen Marionettentheaters bis heute. Die Handpuppe
aber erfuhr eine ähnliche Niveauhebung im wesentlichen überhaupt erst
durch Schück, und das ist um so beachtlicher, als Puhonny bereits an eine
lange Tradition anknüpfen konnte, Schück jedoch ganz von vorne anfangen
mußte. Zwar hatte sich kulturreformerisch.es und besonders pädagogisches
Interesse nach 1900 auch der Handpuppe zugewendet: erinnert sei nur an
den Kampf, den Paul Hildebrandt oder der „Kunstwart" und der Dürerbund
für das Handpuppentheater führten7. Solche Anregungen mögen für Schück
eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Dennoch war hier ein sehr origineller
Kopf am Werk. Denn wenn wir uns an die oben gekennzeichnete Unterscheidung
zwischen Marionette und Handpuppe erinnern, so wird gerade bei der
Lektüre jener volkspädagogischen und kulturreformerischen Schriften, die
vor dem ersten Weltkrieg und auch nachher das Handpuppentheater beleben
wollten, deutlich, daß sie jene stilistische Scheidung in beträchtlicher und
dogmatischer Unbedingtheit beibehielten und betonten. Daß die Handpuppe
die kindliche Phantasie in jeder Hinsicht anrege und in jeder Familie oder
Schule ein Puppentheater erstellt werden sollte, hat auch Schück bejaht. Aber
er erweiterte dieses Programm, indem er das Handpuppentheater nicht als
etwas nur Kindern Gemäßes und als etwas „Einfaches" schlechthin angesehen
wissen wollte. Er wollte es kultiviert machen; auch Erwachsene sollten an ihm
eine (mehr als pädagogische) Freude gewinnen - - und das ist ihm gelungen.
Was Schücks Puppentheater von seinen ersten Anfängen an von den oft allzu
grundsätzlichen und häufig etwas hausbackenen Rezepten der Kulturreformer
unterschied, denen es vor allem auf die reinigende Neübelebung des alten
naiven Jahrmarktskasperls ankam, war der Wille, diesen einer künstlerischen
Metamorphose sondergleichen zu unterwerfen und ihm das anzuverwandeln,
was das Marionettentheater bisher so gut wie allein ausgezeichnet hatte.

5 Die Formel von der „Renaissance der Marionette" stammt von Paul Legband, dem bedeutenden Intendanten
des Freiburger Sladttheaters vor dem ersten Weltkrieg (vgl. P. Legband, Die Renaissance
der Marionette, Literarisches Edio, IX, 1906, H. 4).

ü Vgl. dazu u. a. I. Puhonny, Uber die Physiognomie der Marionette, in der Zeitschrift „Das Puppentheater
'', I, 1923; E. Ehiert, Die Puppe als Darsteller, ebenda, I, 1923; derselbe, 15 Jahre Ivo
Puhonnys Künstler-Marionettentheater, ebenda, II, 1925. Vgl. auch W. Löwenhaupt, Von Puppenspielen
in Baden, in: Das Puppentheater, I, 1923.

"! Vgl. B o e h n a. a. O., S. 209, und besonders Chr. Gochler, Vom Kasperltheater, .Kunstwart, XXII,
1904, und B. v. Polenz, Spielt Handpuppentheater, 188. Flugschrift des Dürerbundes zur Ausdruckskultur
, 1921.

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