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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 222
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zeigt diese ganze Tendenz etwa jene grotesk übersteigerte Kirscliwasserkiir.
der sicli der Sultan unterziehen muß, oder der Oberhofgärtner Hassan („au
kei Türk, sondern e Schwab aus Böblinga . . .") oder das bürokratisch-ver-
staubte Fachgespräch der beiden exotischen Henker im letzten Akt (Abb. 5,
6, 7). Wie solche handlungsmäßigen Nebensächlichkeiten nun ausgearbeitet
wurden und auch sprachlich eine in verschiedensten Mundarten und Stilen
schillernde Lebendigkeit gewannen, das führte weit über Poccis Ansätze
hinaus. In „Zirkus" springt Kasperl statt des gestorbenen klugen Affen ein,
entläuft dem Zirkusbesitzer, verstört das brave Städtchen, bringt sich dann
aber selbst zur Strecke und wird von Rat und Bürgerschaft hoch geehrt als
Befreier des Gemeinwesens. Allein für die Liebe Schücks zum Grotesk-Behaglichen
charakteristischer als diese Fabel ist im „Zirkus" gleich zu Anfang der
lange Monolog Kasperls mit seinem rätselhaft-pathetischen Einsatz: „Wer
kein Geld nit hat, soll auch nit scharf essen!", oder später das Gespräch der
LIerdermer Polizisten über die „Dienschträng" und die entscheidende Frage,
ob der Untergebene die Schuppenkette unters Kinn tun soll oder nicht. In der
„Marsrakete" (1937) gelangt Kasperl im Weltraumschiff des Professors Inte-
grasmus zu den Marsianern (Abb. 8). Aber auch hier ist gar nicht so sehr die
LIandlung, die nach dem Mars, in die Hölle und wieder nach der Erde führt,
aufschlußreich, sondern das Gespräch, das Kasperl mit den Marsbewohnern
mit Hilfe des pythagoräischen Lehrsatzes führt, oder die langausgedehnte
Tanzszene mit des Teufels Großmutter nach stampfenden Jazz-Melodien, oder
am Ende des Stücks die unnachahmliche Diskussion zwischen Schutzmann und
Handwerker über die Arermeintliche Explosionskatastrophe im Labor des
Professors („'s war kei erlaubter Schuß — jedefalls isch er nit angmeldet
gsi . . ." und: „seller isch grad in die Exblosion ni gloffe . . ."). Wort für Wort
entwickelt sich gerade hier im absurden Zusammenprall technischer Überleistung
und diskursiv-alemannischer Bedächtigkeit ein Spiel im Spiel, das
in der vertrackten Logik des gesunden Menschenverstandes, der gerade da
seine Ordnung haben will, wo es keine gibt, kaum an Pocci, wohl aber an
seinen späteren Landsmann aus dem 20. Jahrhundert gemahnt: an Karl Valentin
. Denn wie bei Valentin, dem Schück besonders zugetan war, gewinnen
auch hier die Zufälle, Abenteuer und Schrecknisse, die das Schicksal sendet,
komisches Relief, indem sie durch das Medium der Alltagsvernunft gesehen
werden, einer engen und biederen Alltagsvernunft allerdings, die dann gerade
wieder selbst in der Begegnung mit dem Außergewöhnlichen erheitert. Das
endlose Gestrüpp der Überlegungen über das Leben des kleinen Mannes, in
das sich die beiden städtischen Arbeiter in „Der Messingkäfer" (1938) hineinbegeben
, jene gemütlich-absurden und dabei doch auch irgendwie schicksalergeben
-weisen Diskurse über Sinn und Zweck der Arbeit, über Familie und
Ämter, stellen dabei einen Höhepunkt dieser Entwicklung dar. Ein ganzes
Drittel des Spiels wird allein von ihnen ausgefüllt, ohne daß die Handlung
um den alles Metall verzehrenden, durch ein Nährgas unsagbar gewachsenen
Messingkäfer vorwärtsrückt (Abb. 9, 10).

*

Die künstlerische Welt, die sich so immer weiter entfaltete, hat sich im
übrigen auch sonst stetig entwickelt. In seinen Aufführungen vor 1914 stand
Schück, trotz aller Unterschiede gegenüber den üblichen Puppentheatern,
einem etwas biedermeierlichen Realismus noch verhältnismäßig nahe. Nach

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