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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1960/0020
Wappen und Münzen ebenfalls recht häufig vor62. Sowohl geistliche Institutionen
wie einzelne Geistliche machen davon Gebrauch. Dies hängt offenbar
damit zusammen, daß die biblische Allegorese, die den hinter dem biblischen
Wort liegenden, geheimen und tieferen Sinn erkennen wollte, sich des als
Lilie angesehenen dreiblätterigen Ornaments alsbald angenommen hatte.
Anknüpfungspunkte bot vor allem das Hohelied, in dem diese Blume als Sinnbild
der Seelenreinheit und Unschuld erscheint83. „Wie eine Lilie unter den
Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern" und ähnliche Stellen wurden
insbesondere mit der Jungfrau Maria in Beziehung gesetzt, und die
dornenlose Blume infolgedessen als Symbol jungfräulicher Reinheit gedeutet64
. Schon im 4. Jahrhundert hat der heilige Methodius in seiner Schrift
„Gastmahl oder von der Jungfräulichkeit" von Maria als „von der mit schimmernden
Lilien bekränzten Jungfrau" gesprochen6". Infolgedessen ist es verständlich
, daß viele Forscher in dem Liliensymbol ausschließlich einen Hinweis
auf die Himmelsjungfrau sehen wollen, und daß erst jüngst der Versuch
unternommen worden ist, auch die französische Königslilie als Marienzeichen
zu deuten86. Demgegenüber muß nun zunächst darauf hingewiesen werden,
daß die dornenlose Blume mit der weißen Farbe der Unschuld im Mittelalter
durchaus nicht allein mit Maria in Beziehung gesetzt worden ist. Vielmehr
sind genügend Belege dafür vorhanden, daß sie auch als Symbol für Christus,
für die Kirche und eine Vielzahl von Heiligen benutzt worden ist67. Daraus
ergibt sich, daß die Lilie ganz allgemein als ein Zeichen makelloser Reinheit,
als ein Symbol von Unschuld und Frieden aufgefaßt worden ist. Die Verbindung
mit der Himmelsjungfrau stellte dabei nur eine Möglichkeit der sinnfälligen
Verwendung dar. — Es läge nun gewiß unter diesen Umständen nahe,
auch in der Lilie auf dem Freiburger Stadtsiegel IV eine Beziehung zu Maria
zu suchen. W. Noack hat erst kürzlich wieder darauf hingewiesen, daß die
Verschiebung in der Verehrung der Heiligen des Freiburger Münsters — nur
um eine solche, nicht um einen wirklichen Patrozinienwechsel dürfte es sich
gehandelt haben - - auf die Urach-Freiburger Grafen zurückzuführen ist, die
der Jungfrau Maria aus der geistigen Haltung ihres Jahrhunderts heraus eine
größere Anbetung entgegenbrachten als dem bisherigen Hauptpatron Nikolaus
aus der ersten Zähringerzeit68. Auch die Entscheidung dieser Frage stellen
wir zunächst zurück, bis wir uns mit der weltlichen Liliensymbolik beschäftigt
haben.

02 F. X. Kraus, Realencyclopädie d. christl. Altertümer, Bd. II, Freiburg 1886, S. 503.

63 Cantic. 2, 2.

64 Vgl. A. Saher, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen
Hymnenpoesie des Mittelalters, Linz 1893.

65 IV. 6.

06 K.'H. Schäfer, Das Mainzer Rad und Konstantins Reichsstandarte, Der Herold NF. 2, 1941, S. 59;
Braun v. Stumm, L'Origine de la fleur de Iis a. a. O. Ihm hat sich Schramm, Herrschaftsbilder
a. a. O., S. 973, neuerdings bezüglich der französischen Königslilien angeschlossen. Wir hallen
auf Grund des hier Ausgeführten an der älteren Deutung bei Sehr a m m , König von Frankreich [,
Weimar 1939, S. 211 ff. fest.

07 E. Wolf f har dt, Beiträge zur Pflanzensymbolik, Z. f. Kunstwissenschaft VIII, 1954, S. 180 f.;
R. Bauer reis, Arbor vitae, Abh. d. bayr. Benediktiner-Akademie, III, München 1958. — Uber
einzelne Heilige ebd. S. 120 ff., vgl. ferner aus einer großen Reihe möglicher Beispiele: S. Lucius u.
S. Ursiz bei E. A. Stückelberg, Die schweizerischen Heiligen, Zürich 1905, S. 70, 124. L. Behling
, Ecclesia als arbor vitae, Z. f. Kunst-Wissenschaft, 15, Berlin 1959, S. 141. Schwer zu entscheiden
ist die Bedeutung der häufiger auf geistlichen Siegeln vorkommenden Liliensymbole. Vgl. z. B.
Corpus sigillorum Neerlandicorum a. a. O., PI. 12, Nr. 76: Dompropst und Arehi-
diakon Adolf von Waldeck Utrecht 1500, PI. 10, Nr. 56: Prälaten und Provisoren der fünf Kapitel zu
Utrecht Ende 15. Jh.: PI. 15, Nr. 91: Domherr Dirk Kraft zu Utrecht 1295; ebd. Nr. 95 Domherr Rolof
van Stoutenberg zu Utrecht 1299; PI. 16, Nr. 96: Domherr Nikolaus Weddige zu Utrecht 1287. Moglicherweise
handelt es sich hier wirklich um Zeichen der Marienverehrung, wie es sicher der Fall ist
bei dem Siegel des Komturs von Lengmoos von 1227; s. Seyler, Geschichte der Heraldik a. a. O.,
S. 160, Abb. 142. _

08 W. Noack, Das kirchliche Freiburg in der Vergangenheit, Schauinsland, Jhg. 77, Freiburg 19?9,
S. 21.

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