Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1960/0024
eingehen. Eine Lilie an der Spitze des Stabes symbolisiert nun N or allem die
richterliche Gewalt des Herrschers, der durch sein Richtertum die Einhaltung
des Friedens gewährleistet. Deshalb konnte auch in England die Lilie durch
eine Taube ausgewechselt werden77. Ob vogelähnliche Darstellungen an der
Spitze deutscher Königsszepter im gleichen Sinne aufzufassen sind, muß noch
offenbleiben78. In Frankreich wurde aus den gleichen Ursachen eine Schwurhand
als Schmuck des Königsszepters immer häufiger verwendet70. Es erhielt
deshalb den Namen „main de justice". Auf die Einzelheiten dieser sehr aufschlußreichen
Sonderentwicklung können wir hier nicht eingehen. Wir halten
nur noch einmal fest, daß im Mittelalter das königliche Szepter in erster Linie
als Zeichen der königlichen Gerichtsbarkeit und des durch die sie erwirkten
Friedens angesehen wurde. Die Entwicklung ist darüber hinaus offenbar noch
weiter gegangen, als dem Lilienszepter auch der Sinn der königlichen Gnade
unterlegt wurde. War es im 14. Jahrhundert noch als „freden rijs" oder „gnaden
rijs" bezeichnet worden, so sagt das Eisenacher Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts
, das sicher eine ältere Anschauung wiedergibt, vom Königsszepter:
„Das ist eyn gnldin ruthe, da vorne an stehit eyn zweifeldig lylie. Desse
ruthin tichte uz konnig Aswerus, als yn der konnige buch beschrebin sted;
weme er die ruthin zcunegite, daz bezceychinte, daz her sine gnade hette. Dy
ruthe mit den lylien bezceichnit gnade; daz die lylie vorne zcweyfeldig ist,
bedutit zcwefeldige gnade dez keysirs, daz ist gnade mit gebin und gnade mit
vorgebin"80. Im übrigen läßt sich nun besonders gut an französischen Beispielen
nachweisen, daß das Lilienszepter immer kürzer ausgestaltet wurde
(Abb. 13)81. Schließlich blieb die Lilienbekrönung allein in der Hand des
Königs übrig. Auch in Deutschland lassen sich viele Belege für ähnliche Entwicklungen
beibringen82. Dadurch wurde es aber nun auch möglich, diese
stilisierte Lilie ebenso wie das Szepter losgelöst von der Person des Königs
als Symbol für die von ihm ausgehenden Gerichts- und anderen Königsrechte,
für Königsbann und Königsfrieden zu gebrauchen. Im übrigen ergriff die
Liliensymbolik, die von Krone und Szepter, also den wichtigsten und ältesten
Herrschaftszeichen ihren Ausgang genommen hatte, auch den königlichen
Thron und den Reichsapfel, die beide reich mit Lilienornamenten verziert
wurden83.

Beispiele für eine symbolische Verwendung des Lilienornaments im oben
dargelegten Sinne finden sich in großer Zahl auf den Münzen. Es ist bekannt,

Ti v. Amira, Stab a. a. O., S. 119 f., die Taube kann liier wie auf dem Reichsapfel der englischen
Könige auch als Symbol des Heiligen Geistes angesehen werden, vgl. Sch r a m m , Sphaira a. a. ().,
S. 117 f., Taf. 32, Abb. 63—65 b.

TS ebd. S. 120, Schräm m Herrschaftszeichen a. a. O., Bd. III, S. 992 Anm. 4.

T9 Sohra m m , König von Frankreich a. a. O., S. 212 f.; v. Amira, Stab a. a. O., S. 119 f.

80 v. Amira, Stab a. a. O., S. 122.

81 Vgl. Schramm, König von Frankreich a. a. O., Bd. I, S. 211 ff.; Oppenhei m c r , Frankish
Themes and Problems a. a. O., S. 173 ff.

82 Zahlreiche Beispiele unter den auf S. 23, Anm. 84 angeführten Belegen. Frühe Nachweise z. B. bei
H. Dannenberg, Die deutschen Münzen der fränkischen und sächsischen Kaiserzeit, Berlin 1876
ff., Bd. I, S. 141, Nr. 297, Taf. 13, Nr. 297: Königliche Münze Lothars von Supplinburg aus Aachen;
ebd. Bd. II, S. 638, Nr. 1601, Taf. 78, Nr. 1601, Markgraf Heinrich der Fette von Nordheim (1083—1101).
Schramm, König von Frankreich a. a. O., Bd. II, S. 103 weist übrigens noch auf das sehr interessante
Armreliquiar des Heiligen Siegismund im Weifenschatz hin, das in Hildesheim im 11. Jh.
(Mitstanden sein dürfte. Hier ist der ursprünglich allein vorhandenen segnenden Hand im 12. Jh. eine
kleine Kugel mit einer großen, schön stilisierten romanischen Lilie beigegeben worden. Es wäre
allerdings zu fragen, ob es sich nicht um eine religiöse Sinngebung handelt. Davon unabhängig bietet
freilich diese Reliquie ein schönes Beispiel für einen Reichsapfel mit Lilienzcichen. — Vgl. dazu auch
Schräm m , Sphaira. Globus, Reichsapfel a. a. O., S. S2, Taf. 30, Abb. 60.

83 Posse. Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige a. a. O., Bd. I, Taf. 23, Nr. 2—4; Taf. 24.
Nr. 4: Taf. 28. Nr. 1, 2, 4 usw. Schramm, Sphaira a. a. O., S. 82, Taf. 30, Abb. 60; S. 87 ff.,
Taf. 37, Abb. 76. Taf. 38, Abb. 77.

24


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1960/0024