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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1963/0029
die wirtschaftliche Funktion vor der rechtlichen Form,
und diese wirtschaftliche Funktion ergibt sich aus der noch früher vorhandenen,
nicht wirtschaftlichen Funktion der Siedlung. Bei den Bischofs- und Klosterstädten
steht zuerst der kirchliche Mittelpunkt mit seinen kirchlichen
Festen, daraus entwickelt sich der wirtschaftliche Verkehr und die
wirtschaftliche Bedeutung, und die Wirtschaft sucht sich schließlich ihre angemessenen
rechtlichen Formen. Bei diesen älteren Städten besteht zuerst
der kirchliche oder weltliche Mittelpunkt, an ihn lehnt sich der Markt an, dann
kommt zuletzt das Marktrecht und die Marktimmunität. Bei den gegründeten
Städten ist es umgekehrt; zuerst kommt der Rechtsakt der Gründung,
die rechtlichen Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwickinn
g werden gegeben, und diese Entwicklung setzt als Folge davon ein oder
auch nicht. Die gewachsenen Städte entstehen aus den Gegebenheiten und vielfach
den Zufälligkeiten einer zunächst außerhalb des wirtschaftlichen Bereichs
liegenden Institution - - bei St. Gallen aus den Weltfluchtsbestrebungen eines
Einsiedlers, der den Urwald aufsucht, und aller vernünftigen Verkehrsentwick-
Lung zum Trotz. Bei den gegründeten Städten steht am Anfang der Wille eines
Stadtgründers, ein wirtschaftliches Zentrum zu schaffen, gewollt und geplant,
obwohl vielfach nicht weniger von Zufälligkeiten abhängig. Die Reihenfolge in
der Entwicklung ist bei den gegründeten Städten anders als bei den gewachsenen
.

Wir haben die Freiburger Gründungsurkunde von 1120 als
Dokument von erstrangiger Bedeutung für die mittelalterliche Stadtgeschichte
und Rechtsgeschichte gesehen. Aber ein revolutionäres Dokument, als was sie
in der Literatur oft angesehen wurde, ist sie nicht. AVenn die Freiburger
Gründungsurkunde heute als eine bahnbrechende Wende erscheint, durch die
erstmals der Typ einer gegründeten Stadt in die südwestdeutsche Stadtgeschichte
eingeführt wird, als eine kühne und geradezu geniale Tat, so möchte
man vielleicht vermuten, daß dieses Gründungsprivileg den damaligen weltkundigen
Kaufleuten keineswegs so kühn und so genial vorgekommen sein
möchte, daß sie vielmehr vieles darin vorfanden, was ihnen schon aus anderen
zeitgenössischen Privilegien bekannt war, wenn auch jetzt in klügeren Formulierungen
und auf Grund einer zweifellos großzügigeren Denkungsart. Wenn
sich Herzog Konrad von Zähringen im Jahr 1120 vielleicht auch nicht ganz im
klaren darüber war, daß er achthundert Jahre später als Schöpfer eines völlig
neue Städtetyps in die deutsche Stadtgeschichtsforschung eingehen würde, so
hat er doch zweifellos genau gewußt, was er wollte, nämlich die Gründung
eines Marktes, dessen Bewohner von vorneherein handfeste Sicherheiten gegen
herrschaftliche Willkür erhielten, die deshalb den Markt zu erheblicher Bedeutung
entwickeln würden, und dies sollte sich durch Stadtzoll, Geleitabgabe,
Waaggeld und Gerichtsbußen wieder günstig auf die herrschaftlichen Finanzen
auswirken. Denn, um zu dem ganzen Problem der Gründungsstädte dieses eine
Moment zu betonen: Aus reiner Menschenfreundlichkeit und als gemeinnützige
[nstitution wurden weder die Märkte der älteren noch die Städte der späteren
Zeit gegründet. Es wird darauf noch zurückzukommen sein.

Die wohlberechnete Großzügigkeit in der Privilegierung der Freiburger
Marktgründung ist es wohl, die dem Freiburger Recht die große praktische
Bedeutung für die Folgezeit gegeben hat, der für damalige Verhältnisse sorgfältig
abgewogene Ausgleich der Interessen des marktherrlichen Gründers und
der Stadtbürgerschaft. Die Freiburger Urkunde ist nicht ein revolutionäres

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