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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1979/0037
ratenden Bäuerin eine gewichtige Rolle. Im 18. Jahrhundert erfolgte sie in der Regel
zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr des Altbauern. Bei 24,8 Jahren lag im
.Schnitt das Übernahme- und Heiratsalter der Anerben.36 In diesem Zeitraum ist
demnach mit einer durchschnittlichen Bewirtschaftungsspanne pro Generation von
30-35 Jahren zu rechnen. Für das 16. und 17. Jahrhundert läßt sich bei der Mehrzahl
von Höfen eine Bewirtschaftungsspanne von 20-25 Jahren erkennen.

In Form eines Kaufvertrages vollzog sich der Generationenwechsel im Hofbesitz
.37 Der Anerbe erwarb das Hof gut zu einem „kindlichen Anschlag" („Kindskaufpreis
"). Dieser Anschlag lag - um die Existenz des neuen Hof bauern zu sichern
und den Fortbestand des Hof gutes zu garantieren - erheblich unter dem Verkehrswert
und auch gewöhnlich unter dem Ertragswert. Der Anerbe war so gegenüber
seinen Geschwistern nicht nur durch seinen Anspruch auf die Nachfolge als Hofbauer
begünstigt, sondern auch durch die niedrige Sehätzung („Vorteilsgerechtigkeit
").

Zu den besonderen Belastungen des Anerben gehörte die Übernahme der auf
dem Hof liegenden Schulden - sie werden vom Kindskaufpreis abgesetzt - und die
Ausrichtung eines Altenteils („Leibgeding").38

Entscheidender Punkt bei der Anerbensitte ist der Abfindungsmodus der weichenden
Erben.39 Die Summe wurde jedoch nicht sofort bei der Hofübergabe ausgezahlt
, sondern ratenweise in vertraglich nicht näher festgelegten „Zielen" oder
„Würfen". Nach einem Bericht des Oberamts Hochberg von 1754 ergaben sich bei
der Festsetzung der „Ziele" Fristen von 20 oder mehr Jahren (durchschnittliche Be-
wirtschaftsungsspanne einer Generation), ohne daß die Schuldbeträge in der Zwischenzeit
vom Hofbesitzer verzinst wurden.40 \

Die Hinnahme einer solchen Praxis seitens der Miterben bietet zweifellos das
Denken „vom Hof her".41 Vor dem einzelnen Familienmitglied rangierte der Hof.
Die Kontinuität wurde augenfällig symbolisiert durch den fast regelmäßig anzutreffenden
Drei-Generationen-Haushalt, der noch um Knechte und Mägde vergrößert
wurde.

In dem vorgenannten Bericht des Oberamts Hochberg wird vor allem gebrandmarkt
: die Zunahme der unehelichen Geburten bei den weichenden Erben, das
Fehlen einer handwerklichen Ausbildung und die Fesselung an ein kümmerliches
Tagelöhnerdasein.42

Die Regierung in Karlsruhe tastete die Anerbensitte als solche daraufhin nicht
an, verfügte jedoch durch Reskript vom 5. Juli 175543, daß im Intestatserbfall der
Hofanschlag nach dem Ertragswert erfolgen sollte. Der 20fache Betrag des jährlichen
Reinertrags wurde dabei als Ertragswert festgesetzt. Die Abfindung der
Miterben hatte nach dem Reskript in kürzeren Fristen zu erfolgen, wobei die Erbanteile
bis zu ihrer Auszahlung mit 5 v. H. verzinst werden sollten. Zu bezweifeln
ist, ob sich diese Verordnung, die zwangsläufig eine erhöhte Verschuldung der
Anerben zur Folge haben mußte, in der Praxis durchsetzte.

Die für viele Teile des Schwarzwaldes erlassenen landesherrlichen Verordnungen
und Patente des 18. Jahrhunderts haben oftmals die Beseitigung des Minorats
als Anliegen. Die fürstlich-fürstenberg'sche Verordnung vom 2. Juni 1757 bezeich-

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