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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1979/0046
darstellen. Die in den Büchsenmeisterfragen beschriebene „Steinbüchse" wird im
Text eindeutig dem Meister Berchtold zugeschrieben; ihre schönste und prachtvollste
Ausformung fand sie ein halbes Jahrhundert später in Form der Petarde
(Hinterlader) als das geschichtlich berühmte Dardanellengeschütz, das ein europäischer
Renegat in neun Stücken für Sultan Mohammed II. goß. Dieser schoß damit
Byzanz sturmreif (Abb. 2).

Die ausführliche Textanalyse ergab nun zwei überraschende Befunde, die bislang
allen Bearbeitern entgangen sind: Der erste und der letzte Satz des sehr knapp
gehaltenen zentralen Abschnitts besitzen eindeutig eine Schlüsselfunktion. Zusammen
mit der vorausgehenden Kapitelüberleitung sagt der erste Satz unzweifelhaft,
daß der Meister Berchtold der Erfinder der in den 12 Büchsenmeisterfragen beschriebenen
Steinbüchse ist. Dieselbe Schlüsselfunktion hat auch der letzte Satz des
zentralen Abschnitts, der - adäquat übertragen - aussagt:

„So also ist diese Kunst - das Schießen mit der Steinbüchse und ihre Beladung -
seinerzeit auf eine neue Grundlage gestellt, die theoretische Ursache erkannt und
die Chemie des Pulvers ausgearbeitet worden, so daß die Geschütztechnik und die
Chemie der Treibladungen entscheidend verbessert worden sind, wie aus dem folgenden
Teil des Buches wohl ersehen und verstanden werden kann".

(Vgl. Abb. 3, S. 8 Originaltext). Damit aber besagt dieser Satz, wenn er richtig
übertragen wird, daß der gesamte originale, von späteren Kompilaten befreite
Text, der dem zentralen Abschnitt folgt, mittelbar oder unmittelbar auf den Meister
Berchtold zurückzuführen ist. Die Salpeter- und Pulverrezepte stellen damit
eine Beschreibung oder Wiedergabe seiner Arbeit und seines Werkes dar. Die ganzen
Rezeptgruppen müssen nach Bertholds Tod 1388 von einem unbekannten
Autor in die Form des Feuerwerkbuches gefaßt worden sein, das somit dokumentarischen
Charakter gewinnt. Ein überraschendes Ergebnis, das nicht die einzige
Konsequenz aus dem Feuerwerkbuch bleiben wird!

Damit aber werden zwei Dinge deutlich: Mit der Hinrichtung Bertholds, gegen
den damals nur Anklage erhoben werden konnte wegen eines Verstoßes gegen jene
Gesetze, die die Alchemie verboten (6), war jeder Büchsenmeister gefährdet, der
seine feuerwerkerisch-alchemischen Unterlagen besaß und diese Tätigkeit ausübte.
Man vergegenwärtige sich dazu den historischen Hintergrund des ausgehenden
Mittelalters, der damals vorherrschenden Auffassungen von Rittertum und Kriegführung
, die Zeit des Minnesangs, vor dem sich nun die Erfindung einer, das Kriegswesen
revolutionierenden mauerbrechenden Waffe entrollte, deren Grundlage
letztendlich die Alchemie gewesen ist. Man kann und muß deshalb annehmen, daß
nach dem Prozeß die Büchsenmeister alle persönlichen Unterlagen beseitigt hatten,
die auf eine solche alchemische Tätigkeit hinweisen, oder gar aus der Hand des
Meisters oder doch seiner Schule stammten. Nirgendwo mehr sind aus jener Zeit in
den Archiven irgendwelche Unterlagen dieser Art erhalten. Es ist jedoch unmöglich
, und wird auch vom Autor in seiner Einleitung bestätigt, alle diese Vorschriften
im Gedächtnis zu behalten. Wer sie durcharbeitet, begreift es! Wenn der Anonymus
die Wahrheit schreibt, dann muß er also über Unterlagen verfügt haben, die
auf den Meister in irgendeiner Weise zurückgingen. Es gibt einen Hinweis darauf:

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