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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 103
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0105
welches ich dem Kutscher bezahlt hatte und wenigstens 1 Tag verloren, so daß ich
genötigt war, auf dem kürzesten Wege Hamburg zuzueilen. Bald jedoch überlegte
ich, daß ich überhaupt wenig Geld besäße, um eine so große Reise zu unternehmen
und klüger tun würde, die Ausführung bis zum Herbst zu verschieben. So beschloß
ich endlich, auf jeden Fall wieder nach Halle zurückzugehen, wo ich Niemeyers
Jubelfest mitfeiern, Helbings Umgang noch einige Tage genießen und
mich mit allen Freunden noch einige Zeit freuen könnte.

Es war Sonntag. Auf der Heerstraße alles still, in den Dörfern schmückte man
sich, zur Kirche zu gehen. Ich eilte rastlos vorüber, ruhte zuweilen auf einer
Brücke, ohne mich lange zu verweilen. Endlich wurde ich über meinen Verlust
ganz ruhig — sei es nun leichter Sinn oder ein Vorgefühl des Wiederfindens. Erst
in Egeln, der letzten Stadt gegen Magdeburg, kehrte ich ein, leider nicht in dem
besten Gasthofe. Ein Mann, der ein Schullehrer zu sein schien, klagte über die Beschränkung
der Burschenfreiheit. Ich erwiderte wenig, weil es meine Sache nicht
ist, bei solchen nur vorübergehenden Bekanntschaften das Liebste meiner Gedanken
und Empfindungen gleich offen hinzulegen. Überhaupt bin ich teils durch
meines Wesens eigentümliche Beschaffenheit, teils durch Betrachtungen auf dem
Vorsatze bestärkt worden, zu handeln und zu leben als ob jedermann mich beobachtete
: keinem aber, selbst dem innigsten Freunde nicht, etwas zu bieten von
meinem Sein und Wollen, was er nicht selbst in mir vermutet und von mir gefordert
habe. Mag es sein, daß ich auf diese Weise vielen kalt erscheine und teilnahmslos
; wer es verstanden hat, zu entdecken, was des Herzens Tiefen einhüllen,
wird mir diesen Vorwurf nicht machen. Auch kann ich nicht sagen, ob es mehr
Stolz sei, was mich dazu gebracht, weil ich mich zu gut dünke, um jedem gleich
darzubieten, was mir wert ist, oder mehr Bescheidenheit, weil ich der Kraft Beschränktheit
noch zu sehr kenne, um bei anderen Teilnahme dafür voraussetzen
zu dürfen. Möge von beiden ein Teil sein, so wird die Verbindung fester und dauernder
. Bei Egeln traf ich einen Bauer, der mir nach kurzem Gespräche gastfreundlich
die Branntweinflasche bot; ich dankte. Er meinte, ein ehemaliger Soldat
sei an dergleichen Getränke gewöhnt. Er war auch am Rheine gewesen und
trug eine Denkmünze. Wo Baden liege, konnte er lange nicht begreifen; er glaubte
, man esse Pumpernickel dort. „Es steht aber doch unter preußischem
Schutze?" fragte er auf meine verneinende Antwort. Nein! sagte ich. „Aber unter
irgendeinem Schutze muß es doch stehen?" Ich versicherte ihm, daß es sich selbst
beschütze, was ihm unglaublich vorkam. Nun ging er eine Nebenstraße ab, ein anderer
Bauer zeigte mir den näheren Weg über mehrere Dörfer. Von Egeln nach
Magdeburg habe schon vor der französischen Zeit eine „Scharsee" gemacht werden
sollen (so sprachen das fremde Wort ,chaussee' auch noch andere Bauern bei
Schönebeck aus), wozu noch jetzt wieder Steine aufgehäuft wurden.

„Was haben Sie denn für ein Metier?" fragte er endlich. „Ich bin ein Student",
war meine Antwort. „Das müssen doch schwere Stunden sein", meinte er. Wir
trennten uns endlich. Ich zog nach Langenweddingen hinein, wo ein
äußerst dicker Kellner mir sehr gutes Weißbier brachte. Wegen der starken
Anstrengung und der großen Hitze wagte ich, nur sparsam davon zu trinken und
zog bald, an Windmühlen vorbei, durch Großottersleben auf die Suden-

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