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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 126
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0128
bereitete Verteidigungsposition manövriert (die Einbesteilung nach Karlsruhe war
telefonisch angeordnet worden). Er sei nicht Pazifist in dem streng religiösen Sinne
der Quäker oder Kriegsdienstverweigerer gewesen, sondern Pazifist „auf Grund
meiner Kriegsvorstellungen über die Bedeutung der Technik/4 Es schien, als ob
Staudinger nicht mehr als Universitätsprofessor tragbar sein werde. Am 22. Februar
1934 gelangte der Kultusminister beim Staatsministerium zu folgendem Antrag
: „Das Staatsministerium wolle Herrn Reichsstatthalter vorschlagen, Prof. Dr.
Hermann Staudinger mit dem Tage der Eröffnung der Entschließung aus dem badischen
Staatsdienst zu entlassen.'4 Staudinger habe bei der Vernehmung die Anschuldigungen
nicht entkräften können. „Aufgrund dieser Tatsachen kommt Prof.
Dr. Staudinger als Erzieher für die deutsche akademische Jugend nicht mehr in Betracht
; ich erachte die Voraussetzungen für die Entfernung von der Universität
Freiburg gemäß § 4 GWB als gegeben'4, meinte der Kultusminister.

Für Staudinger intervenierten der Freiburger Oberbürgermeister Dr. Kerber und
Bürgermeister Dr. Leupold, Staudinger selbst schickte dem Kultusminister einen
am 25. Februar 1934 in der Düsseldorfer „Völkischen Zeitung'4 erschienenen Beitrag
mit dem Thema „Die Bedeutung der Chemie für das deutsche Volk". Auch
Martin Heidegger meldete sich am 5. März 1934 in einem Handschreiben an das
Ministerium (wieder mit dem Briefkopf „Akademisches Rektorat der Universität
Freiburg", ohne Tagebuch-Nummer), in dem er unter Verweis auf die Regelung im
Fall des Moraltheologen Franz Keller meinte: „Nach reiflicher Überlegung scheint
es mir ratsam, auch im Falle St. (so abgekürzt, H.O.) einen entsprechenden Weg
zu suchen mit Rücksicht auf die Stellung, die der Genannte in seiner Wissenschaft
im Ausland genießt ... ich brauche kaum zu bemerken, daß in der Sache sich
natürlich nichts ändern kann. Es handelt sich lediglich darum, eine neue außenpolitische
Belastung nach Möglichkeit zu vermeiden.

Das Kultusministerium fand zu einer ,salomonischen' Lösung, zog den Antrag
beim Staatsministerium zurück, bestellte Prof. Staudinger auf den 14. März 1934
ein. Hermann Staudinger mußte den förmlichen Antrag auf Entlassung aus dem
badischen Staatsdienst stellen, der dann für 6 Monate zu den Akten genommen
wurde. Der Antrag werde nur dann „verbeschieden, wenn neuerliche Bedenken
auftauchten." In den Akten der Universität Freiburg dürfte sich all das nicht niedergeschlagen
haben, weil laut Aktenvermerk des Karlsruher Kultusministeriums
vom 11. April 1934 die Angelegenheit durch den Hochschulreferenten mit der Universitätsführung
besprochen worden sei: „Der Kanzler, Prof. Wilser, erklärte, daß
eine schriftliche Verständigung der Universität über die Belassung von Prof. Staudinger
nicht mehr zu erfolgen braucht. Dieselbe unterbleibt deshalb aus Zweckmäßigkeitsgründen
." Vereinbarungsgemäß durfte Hermann Staudinger am 6. 10.
1934 nach Ablauf der 6-Monate-Frist seinen Entlassungsantrag zurückziehen.

Es ist schwer, ja unmöglich, angesichts solcher Vorgänge, die gleichsam indikatorisch
die wahre Einstellung des Freiburger Rektors zum Dritten Reich fast überscharf
beleuchten, all das noch einer ernsthaften Beurteilung zu unterziehen, was
Martin Heidegger in „Tatsachen und Gedanken" über seine immer stärker werdende
Distanz vom Nationalsozialismus, über seine Bewahrung der Wissenschaft vor
einer Politisierung, vor allem aber über die Modalitäten seines Abgangs aus dem

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