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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 135
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friedenheit einflußreicher badischer Repräsentanten von Partei und Staat mit dem
ein Jahr nach Beginn der Kanzlerschaft Hitlers noch immer unvollendeten
„Machtergreifungs"- und „Gleichschaltungs"prozeß zurückführen.

In einem Telefonanruf, den Wohleb stellvertretend für den abwesenden Ministerialrat
Kraft am 6. Februar 1934 entgegennahm, verlangte der NS-Gauleiter und
Reichsstatthalter Robert Wagner Rechenschaft darüber, daß — nach Meldung der
Geheimen Staatspolizei — die Hitlerjugend auf Grund einer Verfügung des Kultusministeriums
zur Schulordnung sich gegenüber katholischen Jugendgruppen benachteiligt
und in der Ausübung ihrer „dienstlichen" Tätigkeiten beeinträchtigt
fühle. Der nationalsozialistische Funktionär sprach damit ein Problemfeld an, das
seit Monaten schon Partei und Staat einerseits, die Kirchenbehörden andererseits
entzweite. Zwar waren auf katholischer Seite zu Anfang des Jahres 1934 alle Illusionen
zerstört, unter den Bedingungen einer totalitären Diktatur eine vom Staat
anerkannte, vergleichsweise unabhängige Jugendarbeit betreiben oder wenigstens
durch eine korporative Eingliederung der konfessionellen Gruppen in die HJ dieser
noch halbwegs Paroli bieten zu können. Allein schon die vom HJ-Gebietsfüh-
rer Friedhelm Kemper im August 1933 erlassenen Richtlinien für die Jugendarbeit
des Landes Baden, welche einerseits den Aktionsraum der kirchlichen Organisationen
auf den religiösen Bereich begrenzten, andererseits dieselben zur „Schulung
der Jugend im Geiste der nationalsozialistischen Weltanschauung" verpflichteten15
, hatten hier für Klarheit gesorgt. Dennoch büßten, allen Behinderungen,
Übergriffen und Belästigungen der HJ zum Trotz, die im November 1933 sogar
den Karlsruher Innenminister zu polizeilichem Einschreiten veranlaßten16, die religiösen
Jugendverbände augenscheinlich von ihrer Anziehungskraft nicht allzu viel
ein, ein Faktum, das der nationalsozialistischen Konkurrenz um die Jahreswende
1933/34 zunehmend Verdruß bereitete. Der Streitpunkt, der zur Anfrage des badischen
Reichsstatthalters bei der Unterrichtsverwaltung führte — nämlich die von
dieser Behörde hinsichtlich des zeitlichen Umfangs gegenüber dem „Dienst" in
der HJ angeblich weniger eingeschränkte katholische Jugendarbeit — beleuchtete
dabei aus NS-Sicht vornehmlich einen noch immer virulenten grundsätzlichen
Konflikt. So wie das Staatspolizeiamt Berlin im Frühjahr 1934 für große Teile des
Reiches eine „starke Belebung der katholischen Jugendbewegung", ja das Überwechseln
von HJ-Mitgliedern zu konfessionellen Verbänden feststellte17, so gab es
zur gleichen Zeit speziell in Baden ähnliche, für die Nationalsozialisten nicht akzeptable
Erscheinungen. Auch hier gelangten die Überwachungsbehörden zu der
— sicherlich richtigen — Erkenntnis, daß der Einfluß der kirchlichen Organisationen
noch keineswegs gebrochen war und an manchen Orten sogar zunahm. Verantwortlich
für diese Entwicklung war nach offizieller Anschauung freilich nicht
die Politik des Regimes, sondern die feindselige Haltung der Gegenseite. Für Gewalttätigkeiten
der Hitlerjugend fehlte es gerade im mittleren und unteren Funktionärskorps
der NSDAP nicht an Verständnis; „die Schuld an allen Vorkommnissen
", so ein Ortsgruppenleiter, „tragen nur die Schwarzen, denn an denen wäre
es gelegen, ihre Kinder den Nat. Soz. Jugendorganisationen zuzuführen und nicht
die unschuldigen Kinder anders aufzuklären, als es im Sinne unseres Führers
liegt." In dieses Bild paßt schließlich ein Protestschreiben des badischen Kultusmi-

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