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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 151
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sehrt und wach zu halten bemüht war. Es handelte sich also um einen der zahlreichen
Beamten, die noch im Kaiserreich groß geworden waren und ihre Auffassung
von Pflicht und Recht z. T. mit in das „Dritte Reich" hineingenommen
hatten, ohne von der nationalsozialistischen Ideologie voll erfaßt zu werden, so daß
solch ein kritischer Bericht noch möglich war. Der Beamte ging hier sogar weiter als
die meisten seiner Mitbürger, die das Verbrechen der „Reichskristallnacht" ebenfalls
mißbilligten ohne allerdings zu protestieren, denn er hätte durchaus mit negativen
Folgen für seine weitere berufliche Laufbahn rechnen können. Die Feststellung
, daß die den deutschen Juden auferlegte Strafe in Höhe von einer Milliarde
Mark schon eher Genugtuung ausgelöst habe, und der Hinweis auf das bei den 137
„Schutzhäftlingen" beschlagnahmte Geld zeigen allerdings auch eine weit verbreitete
Auffassung, nach der man die in Deutschland lebenden Juden durchweg
für wohlhabend hielt. Dies trug neben anderen Faktoren auch dazu bei, daß mancher
mit der erwähnten Genugtuung die antijüdischen Maßnahmen verfolgte, die
sich gegen die richteten, welche man vorher mehr oder weniger stark beneidet hatte
wegen ihrer tatsächlichen oder oft auch vermeintlich besseren finanziellen Situation.

Daß die „Reichskristallnacht" aber noch nicht das Ende des jüdischen Leidensweg
im „Dritten Reich" war, ist hinlänglich bekannt. Mindestens 32 der namentlich
genannten „Schutzhäftlinge" aus Freiburg und Umgebung starben in Konzentrationslagern
, zwei schon kurz nach der Einlieferung ins KZ Dachau, die anderen
in dem südfranzösischen Lager Gurs, wohin man die badischen Juden 1941 deportierte
, und in den polnischen Vernichtungslagern.9

Die „Reichskristallnacht" war gleichzeitig aber auch der Ausgangspunkt für den
weiteren Abbau der Rechte jüdischer Bürger und einer nochmals verschärften antisemitischen
Propaganda. Das Städtische Wohlfahrtsamt Freiburg schränkte z. B.
schon Mitte November die Finanzleistungen erheblich ein, da die neueste Judengesetzgebung
dieser Tage ... den Juden eine rechtliche Stellung einräumt, die eine
ganz erhebliche Beschränkung ihrer bürgerlichen Rechte bedeutet und ihnen auch
nicht mehr die Rechte zubilligt, die Ausländer im Reich gemessen.10 Deshalb lehnte
das Wohlfahrtsamt auch ab, daß Juden fürsorgerechtlich gleich behandelt werden
wie deutsche Volksgenossen, so daß auch kleine Vermögen auf den Finanzbedarf
der auf die Wohlfahrt angewiesenen Familien angerechnet wurden, bis diese verbraucht
waren.

Fast gleichzeitig lief eine Propagandaaktion in ganz Baden an, welche die Judenfrage
stärker als bisher in den Vordergrund zu stellen hatte. Da die Lösung der
Judenfrage, d.h. die restlose Ausmerzung der Juden aus dem Volksleben in
Deutschland das einzige Thema der Winterpropagandaaktion 1938/39 bilden sollte,
mußte sogar die so beliebte und manchmal auch effektvolle Behandlung konfessioneller
Fragen ... im Interesse des gesteckten Ziels unter allen Umständen unterbleiben
.11 Auch in Freiburg wurden deshalb in den folgenden Wochen zahlreiche
Versammlungen abgehalten, über deren Resonanz allerdings keine unparteiischen
Berichte vorliegen. „Der Alemanne" stellte zwar in der Regel die Erfolge dieser
Propagandaaktion heraus, so am 1. Dezember 1938 von insgesamt 56 Versammlungen
im südbadischen Raum, doch muß solchen Artikeln mit äußerster Skepsis begegnet
werden, da sie durchweg übertrieben.

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